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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Eigene Bilder

Anna­le­na Baer­bock wähnt, auf den Schul­tern der am 23.03. ver­stor­be­nen ehe­ma­li­gen Außen­mi­ni­ste­rin der USA, Made­lei­ne Alb­right, zu ste­hen. Was sieht sie von dort aus? Die hal­be Mil­li­on ira­ki­scher Kin­der, die laut Miss Alb­right die Sank­tio­nen wert waren? Die Ver­nich­tun­gen in Jugo­sla­wi­en, die ihre Poli­tik in Kauf nahm, um im Koso­vo die größ­te US-Mili­tär­ba­sis in Euro­pa zu schaf­fen? Von dort aus neh­men sich die Kriegs- und Sank­ti­ons­fol­gen in Russ­land und der Ukrai­ne beschei­de­ner aus (jW, 25.03.22). So macht sich jeder sein eige­nes Bild von der Welt.

Und schafft sich Sym­bo­le. In der Ukrai­ne ist seit Jah­ren das Zei­gen von »kom­mu­ni­sti­schen Sym­bo­len« ver­bo­ten. Hier­zu­lan­de darf man zwar noch den roten Stern oder Ham­mer und Zir­kel zei­gen, aber beim Buch­sta­ben »Z« hört der Spaß auf. Denn damit kenn­zeich­nen die Rus­sen ihre in der Ukrai­ne ein­ge­setz­ten Pan­zer. In kyril­li­scher Schrift kommt die­ser Buch­sta­be übri­gens nicht vor. Die öffent­li­che Ver­wen­dung des Buch­sta­ben »Z« etwa bei Demon­stra­tio­nen kön­ne aber eine Straf­tat sein und als Stö­rung des öffent­li­chen Frie­dens gewer­tet wer­den, hieß es aus dem Innen­mi­ni­ste­ri­um in Han­no­ver. Die Poli­zei sol­le nun in jedem Fall genau prü­fen, ob bei einem »Z« ein »Z«usam­men­hang mit dem Ukrai­ne-Krieg bestehe. In begrün­de­ten Ver­dachts­fäl­len wür­den Täter kon­se­quent ver­folgt (dpa/​jW, 26.03.22). Denn wir leben ja in einer lupen­rei­nen Demo­kra­tie, in der bekannt­lich jeder sei­ne Mei­nung frei »z«eigen kann – wenn er die rich­ti­gen Buch­sta­ben benut»z«t. Ich wer­de mich von nun an »Z«ahn schrei­ben.

Sym­bol-Hand­lung, klar. Aber was machen unse­re Poli­ti­ker denn anderes?

Was wäre eigent­lich, wenn Putin am 24. Febru­ar statt von »mili­tä­ri­scher Ope­ra­ti­on« von einer »Huma­ni­tä­ren Mis­si­on« gespro­chen hät­te? Das hät­te alles geändert!

Er wäre natür­lich berech­tigt, alles zu tun, was zu einer sol­chen huma­ni­tä­ren Mis­si­on gehört. Bom­bar­die­rung von Kran­ken­häu­sern, schwe­re Artil­le­rie, auch uran­an­ge­rei­cher­te Muni­ti­on wären mög­lich. Zivi­le Opfer wären ein Kol­la­te­ral­scha­den, und die bör­sen­wert­ori­en­tier­te freie Welt gin­ge mit einem Ach­sel­zucken dar­über hin­weg. Kei­ne Rede von irgend­ei­ner Zeitenwende!

Nur ging das eben nicht, weil er dann das Copy­right ver­letzt hät­te, das der bör­sen­wert­ori­en­tier­te freie Westen dar­auf hat, und das gilt so viel wie ein Patent, und Paten­te gehen über alles, wie man ja an den Impf­stof­fen gese­hen hat.

Die Römer sag­ten: »quod licet Iovi, non licet bovi«, »Was Jupi­ter erlaubt ist, darf ein Och­se nicht«, und der gesell­schaft­li­che Abstand zwi­schen Jupi­ter und einem Och­sen ist etwa so groß wie zwi­schen den USA und Russ­land, was ja nur eine Regio­nal­macht ist und kei­ne inter­na­tio­na­le Poli­zei­ge­walt aus­üben darf.

Des­halb ist Putin plötz­lich wahn­sin­nig gewor­den und bedroht uns alle mit Atom­ra­ke­ten, wäh­rend der bör­sen­wert­ori­en­tier­te freie Westen sei­ne Atom­bom­ben ja nur aus Jux und Tol­le­rei in Euro­pa her­um­lie­gen und auf Schif­fen und U-Boo­ten her­um­fah­ren lässt.

Laut Albert Ein­stein ist es »die rein­ste Form des Wahn­sinns (…), alles beim Alten zu las­sen und trotz­dem zu hof­fen, dass sich etwas ändert«. So viel zu dem Wahn­sinn des Westens, der jetzt alle schon lan­ge vor­lie­gen­den Auf­rü­stungs­plä­ne aus den Schub­la­den holt und dem stau­nen­den und sich vor dem Rus­sen fürch­ten­den Publi­kum stolz dar­bie­tet. Aber: »Rüstung mit noch mehr Rüstung zu bekämp­fen ist so wenig zukunfts­fä­hig wie dem Kli­ma­wan­del mit Kli­ma­an­la­gen zu begeg­nen« (Natur­wis­sen­schaft­le­rIn­nen-Initia­ti­ve Ver­ant­wor­tung für Frie­den und Zukunftsfähigkeit).

Oder den stei­gen­den Ener­gie­prei­sen mit Tank­gut­schei­nen. War­um steigt eigent­lich der Preis für Ener­gie? Gibt es weni­ger Gas oder Öl auf dem Markt? Wird mehr ver­braucht? Nein. Es wird nur spe­ku­liert dar­auf, dass der Preis steigt, und des­halb steigt er. Ob mit oder ohne Krieg.

Und egal, ob das »beklagt« oder »ver­ur­teilt« wird. Ich bin kei­ne Ger­ma­ni­stin, aber dass die­se zwei Begrif­fe unter­schied­li­che Bedeu­tung haben, scheint klar. Nur nicht für die deut­schen Medi­en. Die berich­ten uni­so­no, die UN-Voll­ver­samm­lung habe mit 141 Stim­men bei 5 Nein-Stim­men und 30 Ent­hal­tun­gen eine Reso­lu­ti­on ange­nom­men, die die Aggres­si­on Russ­lands gegen die Ukrai­ne »ver­ur­teilt«. Im eng­li­schen Ori­gi­nal-Text ist das Wort »deplo­re« gewählt, nicht »con­demn« (Han­dels­blatt online, 03.03.22). Ein Unter­schied, der offen­bar zustan­de kam, weil eini­ge der 141 Stim­men sonst nicht mit »Ja« gestimmt hät­ten. Dass die Stim­men, die ver­nein­ten und sich ent­hiel­ten, die Hälf­te der Welt­be­völ­ke­rung reprä­sen­tie­ren, muss man ja sowie­so nicht ernst neh­men, schließ­lich ist Euro­pa und sind die USA First Class, und die Teil­neh­mer der nie­de­ren Klas­sen zäh­len da im Ver­gleich deut­lich weniger.

Apro­pos ernst neh­men: Was sind das für Zei­ten, in denen ein Komi­ker nicht nur Prä­si­dent wer­den kann, son­dern ein Held der Frei­en Welt? Der letz­te Schau­spie­ler, der Prä­si­dent wur­de, war immer­hin ein Revol­ver­held, und er hat zwar das »Reich des Bösen« aus der Tau­fe geho­ben, aber er schaff­te es nur zum Anti-Hel­den. Und kön­nen wir nicht auch mal in Deutsch­land einen sym­pa­thisch rüber­kom­men­den Schau­spie­ler zum Kanz­ler wäh­len? Habeck hat es nur bis zum Wirt­schafts­mi­ni­ster gebracht, auch wenn er sich sehr viel Mühe gibt, sein schau­spie­le­ri­sches Talent in den Ver­ei­nig­ten Emi­ra­ten zur Gel­tung zu brin­gen. Beson­ders komisch wirkt es aller­dings nicht. Und die Mensch­heit braucht drin­gend etwas Aufheiterndes.

Laut der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) gab es im ersten Coro­na-Jahr 2020 welt­weit 25 Pro­zent mehr Angst­stö­run­gen und Depres­sio­nen, vor allem bei Jugend­li­chen (rnd-online, 03.03.22). Und ein Ende der Selbst­mord­ra­ten ist nicht abzusehen.

Und auch unse­re Vit­amin­zu­fuhr, die für gute Lau­ne sorgt, ist in Gefahr. Seit zwölf Tagen strei­ken in Spa­ni­en Zehn­tau­sen­de Lkw-Fah­rer, die Schät­zun­gen der wirt­schaft­li­chen Schä­den sind mitt­ler­wei­le neun­stel­lig, und immer mehr Bran­chen­ver­ei­ni­gun­gen und Gewerk­schaf­ten schlie­ßen sich an (jW, 25.03.22). Wo krie­gen wir dann unse­re Oran­gen, Erd­bee­ren und Papri­ka her? Müs­sen wir dann wie­der hol­län­di­sche Was­ser-Toma­ten fres­sen? Oder sie bes­ser auf etwa­ig auf­tau­chen­de Habecks, Baer­bocks und Schol­zes wer­fen? Das könn­te die Lau­ne etwas heben …