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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Große Zeiten

»Mögest du in gro­ßen Zei­ten leben« ist angeb­lich ein chi­ne­si­scher Fluch, das sagt jeden­falls Han­nes in »War­ten auf’n Bus«, eine Serie, die in der ARD-Media­thek jetzt zu sehen ist und die ich jeder Lese­rin und jedem Leser des Ossietzky ans Herz legen möch­te (im rbb immer mitt­wochs um 22 Uhr zu sehen). Ich hät­te nie gedacht, dass so etwas im deut­schen Fern­se­hen mög­lich sein könn­te: »Ein­fa­che« Men­schen mit Mut­ter­witz und poli­ti­scher Bil­dung, nicht denun­ziert, nicht lächer­lich gemacht, bewe­gend mensch­lich! Und poli­tisch hört es sich an, als wäre Danie­la Dahn Mit­au­torin. Unbe­dingt anse­hen! (Wer­be­block-Ende)

Aber zurück zu dem Fluch: Es scheint, wir leben gera­de in gro­ßen Zei­ten, die Hel­den brau­chen und denen Opfer zu brin­gen sind. Prä­si­dent Macron hat ja auch von einem »Krieg« gespro­chen, den wir einem Virus erklä­ren müss­ten. Was für ein Welt­bild! Die Mensch­heit im Kampf gegen Kleinst­le­be­we­sen – nein, Lebe­we­sen sol­len die Viren ja angeb­lich gar nicht sein. Nur so eine Art Kampf­ma­schi­nen, die unse­rer »Unsterb­lich­keit« gefähr­lich werden.

Inzwi­schen gibt es auch wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen, deren Ergeb­nis­se die bis­he­ri­ge Panik­ma­che kon­ter­ka­rie­ren. Tut aber nichts zur Sache, die Maß­nah­men gehen wei­ter. Und weil die Bun­des­re­gie­rung so vie­le Maß­nah­men ergreift, muss der Virus gefähr­lich sein. Die­se selt­sa­me Logik ist jetzt von vie­len zu hören und zu lesen, die anson­sten Maß­nah­men der Regie­rung nicht immer für wei­se, ja nicht ein­mal für durch­dacht hal­ten. Gro­ße Zei­ten eben!

In denen Kriegs­mi­ni­ste­rin AKK mal kurz 45 Kampf­flug­zeu­ge in den USA bestel­len kann. Drei­mal darf man raten, wer sich dar­über freut! Prä­si­dent Trump macht der­weil die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on für die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus ver­ant­wort­lich und dreht ihr den Geld­hahn zu. Vier Tage danach ver­klagt der Staat Mis­sou­ri die Staats­füh­rung und die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas vor hei­mi­schem Gericht auf Scha­dens­er­satz für die Coro­na-Kri­se. Mil­lio­nen Arbeits­lo­se – ob wegen Coro­na oder wegen der Wirt­schafts­kri­se oder wegen der Wirt­schafts­kri­se wegen Coro­na, das müs­sen spä­ter mal die Histo­ri­ker erforschen.

Lar­ry Fink, der Chef von Black­Rock, ist jeden­falls opti­mi­stisch. »Wenn wir die­se Kri­se über­stan­den haben und Anle­ger ihre Port­fo­li­os anpas­sen, haben wir die Mög­lich­keit, eine nach­hal­ti­ge­re Welt zu schaf­fen«, schreibt er in einem Brief an die Aktio­nä­re. (jun­ge Welt, 1.4.20) Die­je­ni­gen, die der Virus oder die Armut dahin­ge­rafft haben, wer­den die­se nach­hal­ti­ge­re Welt nicht mehr erle­ben, aber das sind ja auch kei­ne Aktionäre.

Im Moment herr­schen eher alte, ata­vi­sti­sche Zustän­de. Die USA kapert eine Sen­dung von Schutz­mas­ken, die für Ber­lin bestimmt war, in Thai­land. Ber­lins Innen­se­na­tor Andre­as Gei­sel dazu in einer Pres­se­mit­tei­lung vom 3. April (bevor er zurück­ge­pfif­fen wur­de und sich ent­schul­dig­te): »Wir betrach­ten das als Akt moder­ner Pira­te­rie. So geht man mit trans­at­lan­ti­schen Part­nern nicht um.« (www.berlin.de)

Und wie geht man mit demo­kra­ti­schen Grund­rech­ten um? Die Dresd­ner Demon­stra­ti­on von Pegi­da an Hit­lers Geburts­tag wird erlaubt, Demon­stra­tio­nen gegen Grund­rechts­ein­schrän­kun­gen in Ber­lin und anders­wo sind ver­bo­ten. Mund­schutz oder Ver­mum­mungs­ver­bot? War­um hal­ten die Poli­zi­sten, die Demon­stran­ten abfüh­ren, nicht den Min­dest­ab­stand ein?

Was pas­siert, wenn der neu ent­wickel­te Impf­stoff die in ihn gesetz­ten Hoff­nun­gen nicht erfüllt? Haben die bis­he­ri­gen Grip­pe-Imp­fun­gen die in sie gesetz­ten Hoff­nun­gen erfüllt?

Kann das Pro­blem der mul­ti­re­si­sten­ten Kei­me (cir­ca 20.000 Tote jähr­lich allein in der BRD) ein­fach auf die lan­ge Bank ver­scho­ben wer­den, wie die Bun­des­re­gie­rung beab­sich­tigt? Ist der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka, und beson­ders der »Reserve«-Antibiotika, die eigent­lich zur Bekämp­fung mul­ti­re­si­sten­ter Kei­me ein­ge­setzt wer­den sol­len, in der Tier­hal­tung noch ver­tret­bar? Wie vie­le Fäl­le von »Coro­na-Infek­tio­nen« kön­nen im Kran­ken­haus behan­delt wer­den, wenn das Kran­ken­haus selbst ein Hot­spot mul­ti­re­si­sten­ter Kei­me ist?

Und wer ist an COVID-19 gestor­ben? »Dif­fe­ren­ziert, ob jemand ›an‹ oder ›mit‹ der Infek­ti­on gestor­ben ist, wird aktu­ell fast nir­gend­wo in Deutsch­land.« (Tages­spie­gel, 10.4.2020) Das Robert-Koch-Insti­tut führt alle Ver­stor­be­nen mit nach­ge­wie­se­ner SARS-CoV-2-Infek­ti­on in der Sta­ti­stik der Coro­na-Toten. Also könn­te auch ein Unfall­op­fer, das posi­tiv auf Coro­na gete­stet wur­de, in der Sta­ti­stik der an Coro­na Ver­stor­be­nen auf­tau­chen? Gro­ße Zei­ten für ein Virus, das offen­bar nicht nur die Lun­ge befällt, son­dern auch das Hirn.