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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Piloten sollen nukleare Teilhabe verweigern

Min­de­stens 20 ame­ri­ka­ni­sche Atom­bom­ben lagern in Deutsch­land. Im Kriegs­fall sol­len deut­sche Pilo­ten sie ans Ziel flie­gen. Mar­tin Sin­ge und Armin Lau­ven von der »pax-christi«-Gruppe Bonn hat­ten eine Idee, die guten Anklang fand. Sie initi­ier­ten einen Appell an die im rhein­land-pfäl­zi­schen Büchel sta­tio­nier­ten Pilo­tin­nen und Pilo­ten des Tak­ti­schen Luft­waf­fen­ge­schwa­ders 33, deren Tor­na­dos als Trä­ger­waf­fe für die US-ame­ri­ka­ni­schen Atom­waf­fen im Ernst­fall ein­ge­setzt wer­den sollen.

Am 20. Juni erschien der Auf­ruf zur Ver­wei­ge­rung der nuklea­ren Teil­ha­be als Anzei­ge in der Sams­tags­aus­ga­be der Rhein-Zei­tung (RZ). 127 Per­so­nen und 18 Orga­ni­sa­tio­nen aus der Frie­dens­be­we­gung finan­zier­ten die Anzei­ge mit ihren Spen­den. Nach Eigen­an­ga­ben der RZ wur­den mit den Aus­ga­ben Koblenz, May­en-Ander­nach, Rhein-Lahn-Kreis, Cochem-Zell und Rhein-Huns­rück ins­ge­samt 258.000 Lese­rin­nen und Leser erreicht.

Die Initia­to­ren schick­ten den Auf­ruf auch an den Kom­man­deur des Büchel-Geschwa­ders. Sechs­und­vier­zig Tor­na­do-Kampf­jets wer­den dem Geschwa­der zuge­rech­net, das mit den Zivil­an­ge­stell­ten rund 2000 Leu­te umfasst. Der Haupt­auf­trag des Tak­ti­schen Luft­waf­fen­ge­schwa­ders 33 lau­tet nach Eigen­an­ga­be »Luft­an­griff«. »Mit dem Waf­fen­sy­stem ›PA-200 Tor­na­do‹ ist das Geschwa­der prä­zi­se, reak­ti­ons­schnell, fle­xi­bel und bei jedem Wet­ter ein­satz­be­reit.« Sie­he auch: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/luftwaffe/organisation-/luftwaffentruppenkommando/taktisches-luftwaffengeschwader-33.

Nach Infor­ma­tio­nen der ört­li­chen Frie­dens­grup­pen lebt und agiert das gesam­te Geschwa­der sehr abge­schirmt. Umso sinn­vol­ler, den Auf­ruf in der größ­ten Lokal­zei­tung zu ver­öf­fent­li­chen und so mit ziem­li­cher Sicher­heit Pilo­ten und Mit­ar­bei­ter vor Ort zu erreichen.

Den Anlass für die Anzei­gen­ak­ti­on lie­fer­te die aktu­el­le Debat­te um die Beschaf­fung neu­er atom­waf­fen­fä­hi­ger Kampf­jets für die Bun­des­wehr (vgl. »Atom­bom­ber? Nein Dan­ke!« – Ossietzky 12/​2020). Die Pilo­tin­nen und Pilo­ten, die im Ernst­fall die Atom­bom­ben abwer­fen sol­len, wer­den ein­dring­lich auf die Völ­ker­rechts- und Grund­ge­setz­wid­rig­keit von Atom­waf­fen­ein­sät­zen und allen damit in Zusam­men­hang ste­hen­den Unter­stüt­zungs­lei­stun­gen hin­ge­wie­sen – und dazu auf­ge­ru­fen, die Mit­wir­kung an der nuklea­ren Teil­ha­be zu ver­wei­gern. Ent­spre­chen­de Befeh­le sei­en rechts­wid­rig und dürf­ten weder erteilt noch befolgt werden.

»Sie als Pilo­tin­nen und Pilo­ten kön­nen Ihre direk­te Mit­wir­kung an der nuklea­ren Teil­ha­be auf­kün­di­gen und so dazu bei­tra­gen, dass in einem ersten Schritt zu einer atom­waf­fen­frei­en Welt die Atom­waf­fen aus der Bun­des­re­pu­blik abge­zo­gen wer­den«, heißt es in der Anzeige.

Als Beleg für die Rechts­wid­rig­keit zitie­ren die Unter­zeich­ner der Zei­tungs­an­zei­ge aus einer Taschen­kar­te der Bun­des­wehr (Aus­ga­be 2008) für Sol­da­ten, wonach der Ein­satz ato­ma­rer Waf­fen durch das huma­ni­tä­re Kriegs­völ­ker­recht aus­drück­lich ver­bo­ten ist. Wei­ter argu­men­tie­ren sie: »Die Bun­des­re­pu­blik hat sich als Nicht­nu­kle­ar­waf­fen­staat im Atom­waf­fen­sperr­ver­trag ver­pflich­tet, Atom­waf­fen von nie­man­dem unmit­tel­bar oder mit­tel­bar anzu­neh­men (Art. II) … Jeder Atom­waf­fen­ein­satz ist laut Gut­ach­ten des Inter­na­tio­na­len Gerichts­ho­fes (IGH) vom 9. Juli 1996 gene­rell verboten …«

Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker, Bür­ge­rin­nen und Bür­ger wer­den zugleich auf­ge­for­dert, sich für die Abschaf­fung der Atom­bom­ben und die Unter­zeich­nung des neu­en UN-Atom­waf­fen­ver­bots­ver­tra­ges einzusetzen.

Anders als bei ver­gleich­ba­ren Zei­tungs­an­zei­gen der Frie­dens­be­we­gung in der jüng­sten Zeit üblich, hat die Rhein-Zei­tung drei Tage spä­ter erfreu­li­cher­wei­se in ihrem redak­tio­nel­len Teil über den Auf­ruf berich­tet, wich­ti­ge Pas­sa­gen wört­lich zitiert und das Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um um Stel­lung­nah­me gebeten.

Ein Spre­cher der Luft­waf­fe in Ber­lin »erklärt, wor­aus sich die Nuklea­re Teil­ha­be ablei­tet und wie sie sich in die Sicher­heits­ar­chi­tek­tur für Deutsch­land, Euro­pa, der Welt und inner­halb der NATO als Bünd­nis ein­ord­net« (RZ). Die sicher­heits­po­li­ti­schen Hin­ter­grün­de zur nuklea­ren Teil­ha­be postu­liert das Weiß­buch 2016 (https://www.bmvg.de/de/themen/weissbuch): »Solan­ge nuklea­re Waf­fen ein Mit­tel mili­tä­ri­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen sein kön­nen, besteht die Not­wen­dig­keit zu nuklea­rer Abschreckung fort. Die stra­te­gi­schen Nukle­ar­fä­hig­kei­ten der Alli­anz, ins­be­son­de­re die der USA, sind der ulti­ma­ti­ve Garant der Sicher­heit ihrer Mit­glie­der. Die NATO ist wei­ter­hin ein nuklea­res Bünd­nis. Deutsch­land bleibt über die nuklea­re Teil­ha­be in die Nukle­ar­po­li­tik und die dies­be­züg­li­chen Pla­nun­gen der Alli­anz ein­ge­bun­den. Dies geht ein­her mit dem Bekennt­nis Deutsch­lands zu dem Ziel, die Bedin­gun­gen für eine nukle­ar­waf­fen­freie Welt zu schaf­fen. Die Alli­anz hat sich die­ses im Stra­te­gi­schen Kon­zept von 2010 zu Eigen gemacht.«

Solan­ge Nukle­ar­waf­fen in die­ser Welt exi­stie­ren – setzt die Rhein-Zei­tung nach – besteht nach Über­zeu­gung der Bun­des­re­gie­rung die Not­wen­dig­keit zum Erhalt der nuklea­ren Abschreckung fort. »Die­se wird für uns Deut­sche durch unse­re Mit­glied­schaft in der NATO sicher­ge­stellt«, so der Spre­cher wei­ter. (Rhein-Zei­tung, 23. Juni 2020)

Sechs Tage nach Ver­öf­fent­li­chung der Anzei­ge in der Rhein-Zei­tung ver­öf­fent­lich­te die Welt aus dem Hau­se Sprin­ger einen bemer­kens­wer­ten Arti­kel »Wie Deutsch­land sich selbst zur Ziel­schei­be eines Atom­an­griffs macht«. Es sei Zeit, aus der nuklea­ren Teil­ha­be aus­zu­stei­gen, for­der­te Gast­au­tor Roland Hipp, Geschäfts­füh­ren­der Vor­stand von Green­peace. Was immer die Welt dazu bewo­gen haben mag, die­sen Arti­kel auf­zu­neh­men, es könn­te ein gutes Zei­chen für die Zukunft (die­ser Zei­tung) sein.

 

Der Auf­ruf an die Tor­na­do-Pilo­ten des Tak­ti­schen Luft­waf­fen­ge­schwa­ders 33 am Atom­bom­ben­stand­ort Büchel zur Ver­wei­ge­rung der Mit­wir­kung an der nuklea­ren Teil­ha­be kann unter ande­rem als Flug­blatt ver­teilt wer­den. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen im Netz: https://buechel-atombombenfrei.jimdofree.com oder: https://www.bremerfriedensforum.de.