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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ramsey Clark (1927-2021)

Am Abend des 9. April 2021 ver­starb der ehe­ma­li­ge US-Justiz­mi­ni­ster und pro­mi­nen­te Men­schen­rechts­ak­ti­vist Ram­sey Clark im Alter von 93 Jah­ren. Mit ihm ver­lor die Welt einen ent­schie­de­nen und bril­lan­ten Geg­ner der west­li­chen Kriegs­po­li­tik. Auf der Gedenk­sei­te für ihn, auf der Home­page des von ihm gegrün­de­ten Inter­na­tio­nal Action Cen­ters (IAC), wür­dig­ten zahl­rei­che Per­sön­lich­kei­ten aus der gan­zen Welt, dar­un­ter die Prä­si­den­ten Kubas, Nika­ra­gu­as, Boli­vi­ens und Vene­zue­las, sein »Enga­ge­ment und sei­ne Hin­ga­be für Frie­den und Gerechtigkeit«.

»Wir ehren Ram­sey Clark«, so sei­ne lang­jäh­ri­ge Mit­strei­te­rin im Inter­na­tio­nal Action Cen­ter, Sara Floun­ders, »als einen uner­schrocke­nen Ver­tei­di­ger aller For­men des Wider­stan­des einer Bevöl­ke­rung gegen Unter­drückung, als einen Füh­rer, der immer bereit war, die Ver­bre­chen des US-Mili­ta­ris­mus und sei­ne glo­ba­le Arro­ganz anzu­pran­gern.« Er wer­de »den Men­schen und Kämp­fern auf der gan­zen Welt als eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit in Erin­ne­rung blei­ben, die ihren Namen, ihren Ruf und ihre juri­sti­schen Fähig­kei­ten ein­setz­te, um Volks­be­we­gun­gen und Füh­rer zu ver­tei­di­gen, die von den Kon­zern­me­di­en gründ­lich dämo­ni­siert wor­den waren«.

Auch auf die deut­sche Frie­dens­be­we­gung hat­te Clark spä­te­stens ab 1991, als die USA mit dem ersten Krieg gegen den Irak ihre »Neue Welt­ord­nung« ein­lei­te­ten, erheb­li­chen Ein­fluss. Mich per­sön­lich rüt­tel­te sein Buch »Wüsten­sturm ‒ US-Kriegs­ver­bre­chen am Golf« auf, in dem er das Aus­maß der im Krieg gegen den Irak ver­üb­ten Ver­bre­chen aufzeigte.

Ram­sey Clark kam aus dem Her­zen des poli­ti­schen Estab­lish­ments von Texas. Als Kind mach­te er Eis­creme in der Küche der zukünf­ti­gen Prä­si­den­ten­gat­tin Lady Bird John­son, und sein Vater wur­de Rich­ter am Ober­sten Gerichts­hof. Als Jura­stu­dent und Rechts­an­walt begann er die herr­schen­den, von Ras­sis­mus gepräg­ten und an den Inter­es­sen der Eli­ten aus­ge­rich­te­ten Ver­hält­nis­se zuneh­mend kri­tisch zu sehen. Zunächst bemüh­te er sich, sie über die Mit­ar­beit in der Regie­rung zu ver­än­dern. Er wur­de stell­ver­tre­ten­der Justiz­mi­ni­ster unter John F. Ken­ne­dy und ab 1967 Justiz­mi­ni­ster in der Regie­rung von Lyn­don John­son. In die­ser Zeit hat­te er maß­geb­li­chen Anteil an den 1965 und 1968 ver­ab­schie­de­ten Bür­ger­rechts­ge­set­zen für die schwar­ze Bevöl­ke­rung und ent­warf Geset­ze zum Woh­nungs­bau und zur Durch­set­zung der Ver­trags­rech­te der indi­ge­nen Nationen.

Wäh­rend die mei­sten Regie­rungs­mit­glie­der ihre Ämter nach dem Aus­schei­den in mil­lio­nen­schwe­re Kar­rie­ren umwan­del­ten, nutz­te Ram­sey Clark sein Renom­mee als ehe­ma­li­ger Justiz­mi­ni­ster, um sich für die Armen, Unter­drück­ten und Recht­lo­sen ein­zu­set­zen und wur­de so zu einem füh­ren­den Kri­ti­ker der US-Außen­po­li­tik wie auch der Men­schen­rechts­si­tua­ti­on im Land.

1972 rei­ste er wäh­rend der Bom­bar­die­rungs­kam­pa­gne unter Prä­si­dent Richard Nixon gegen den Wil­len Washing­tons nach Nord­viet­nam, um die Kriegs­ver­bre­chen der USA zu doku­men­tie­ren. Es war eine der ersten von vie­len Rei­sen, die Ram­sey Clark von da an unter­nahm, um Opfer von US-Aggres­sio­nen zu tref­fen und sich mit ange­grif­fe­nen Län­dern zu soli­da­ri­sie­ren. So besuch­te er zahl­rei­che Male Kuba, um die US-Blocka­de anzu­pran­gern, stand 1979 an der Sei­te der san­di­ni­sti­schen Revo­lu­ti­on in Nica­ra­gua und unter­stütz­te in den 1980er Jah­ren den Befrei­ungs­kampf in El Sal­va­dor gegen eine US-gestütz­te Diktatur.

1991 rei­ste er wäh­rend des Höhe­punkts der US-Bom­bar­die­rung ‒ trotz des hohen per­sön­li­chen Risi­kos ‒ in den Irak, um deren Fol­gen zu doku­men­tie­ren. Im Anschluss ver­fass­te er eine 19 Punk­te umfas­sen­de, juri­stisch beein­drucken­de Ankla­ge­schrift gegen die Bush-Regie­rung wegen Kriegs­ver­bre­chen und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit, die inter­na­tio­nal erheb­li­che Beach­tung fand. Die Ankla­ge­schrift wur­de zur Grund­la­ge eines unab­hän­gi­gen »Inter­na­tio­na­len Kriegs­ver­bre­chen-Tri­bu­nals«, ähn­lich den Rus­sell-Tri­bu­na­len, mit öffent­li­chen Anhö­run­gen in 19 Ländern.

In ähn­li­cher Wei­se klag­te er nach dem Nato-Bom­bar­de­ment der Bun­des­re­pu­blik Jugo­sla­wi­en 1999 die Nato an und for­der­te ihre Auf­lö­sung. Clark war wäh­rend der 78 Tage lan­gen Luft­an­grif­fe der Nato zwei­mal in Jugo­sla­wi­en und besuch­te bom­bar­dier­te Schu­len, Kran­ken­häu­ser, Markt­plät­ze, Was­ser­auf­be­rei­tungs­an­la­gen, Getrei­de­si­los und Phar­ma­fa­bri­ken. Er traf sich zudem mit dem jugo­sla­wi­schen Prä­si­den­ten Slo­bo­dan Milo­se­vic und über­nahm spä­ter auch des­sen Ver­tei­di­gung vor dem Nato-Tri­bu­nal in Den Haag. Sei­ner Ansicht nach wur­den dort die Fal­schen ange­klagt. Laut sei­ner Ankla­ge­schrift für das von ihm vor­ge­schla­ge­ne »Volks­tri­bu­nal über Kriegs­ver­bre­chen in Jugo­sla­wi­en« hät­ten US-Prä­si­dent Clin­ton und Außen­mi­ni­ste­rin Alb­right auf die Ankla­ge­bank gehört, sowie die ver­ant­wort­li­chen Regie­rungs­mit­glie­der Deutsch­lands, Groß­bri­tan­ni­ens, Frank­reichs und ande­rer Nato-Mächte.

Von nun an nah­men die Kon­flik­te, die ihn for­der­ten, immer mehr zu: der Über­fall auf Afgha­ni­stan, der zwei­te Krieg gegen den Irak und die viel­fäl­ti­gen son­sti­gen US-Aggres­sio­nen im soge­nann­ten »Krieg gegen den Ter­ror«. Uner­müd­lich pran­ger­te er die Mili­tär­ope­ra­tio­nen, Droh­nen­an­grif­fe, gehei­men Ver­haf­tun­gen, Wirt­schafts­blocka­den oder Regime­wech­sel-Aktio­nen an. Nach dem »ara­bi­schen Früh­ling« kamen der Nato-Krieg gegen Liby­en und die Aggres­si­on der USA und ihrer Ver­bün­de­ten gegen Syri­en dazu. Auch nach Syri­en rei­ste Clark mehr­mals, um erneut die Auf­merk­sam­keit auf die Fol­gen mili­tä­ri­scher Ope­ra­tio­nen Washing­tons für die Zivil­be­völ­ke­rung zu lenken.

Beson­ders schar­fen Angrif­fen sah er sich im Westen wegen der Über­nah­me der Ver­tei­di­gung von sehr umstrit­te­nen Opfern der US-Poli­tik wie Slo­bo­dan Miloše­vić und Sad­dam Hus­sein aus­ge­setzt. Ihm wur­de vor­ge­wor­fen, üble Dik­ta­to­ren und Ver­bre­cher zu ver­tei­di­gen, nur weil sie Fein­de der USA sei­en. Sei­ner Ansicht nach stand jedoch jedem Ange­klag­ten eine Ver­tei­di­gung zu. Vor allem war es ihm wich­tig, über die Hin­ter­grün­de der Krie­ge auf­zu­klä­ren und die Geschichts­schrei­bung nicht allein den Sie­gern zu überlassen.

Unge­ach­tet der Anfein­dun­gen von Poli­tik und Medi­en im Westen, ver­lieh die Gene­ral­ver­samm­lung der Ver­ein­ten Natio­nen Ram­sey Clark 2008 ihren Men­schen­rechts­preis, den sie alle fünf Jah­re an ver­dien­te Ver­tei­di­ger der Men­schen­rech­te ver­gibt. Die UN ehr­te ihn dafür, dass er sich gegen die Über­grif­fe der USA im Kampf gegen den Ter­ro­ris­mus aus­ge­spro­chen hat­te. Frü­he­re Preis­trä­ger waren unter ande­rem Ele­a­n­or Roo­se­velt, Nel­son Man­de­la und Dr. Mar­tin Luther King Jr..