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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rüstungsexporte auf Rekordwert

Deutsch­land gehört seit Jah­ren zu den welt­weit wich­tig­sten Rüstungs­lie­fe­ran­ten. Die Bun­des­re­gie­rung spricht den­noch gern davon, eine »restrik­ti­ve« Rüstungs­export­po­li­tik zu betrei­ben. Doch die Zah­len wider­spre­chen den offi­zi­el­len Ansa­gen. Im Jahr 2021 ist der Gesamt­um­fang der Rüstungs-Expor­te auf den Rekord­wert von 9,04 Mil­li­ar­den Euro gestie­gen. Für mora­li­sche Nach­denk­lich­keit ist da kein Platz.

Durch eine Anfra­ge der Links­frak­ti­on im Bun­des­tag war an den Weih­nachts­fei­er­ta­gen öffent­lich gewor­den, dass die Expor­te von Waf­fen und ande­ren Rüstungs­gü­tern vom 1. Janu­ar bis zum 14. Dezem­ber sich auf einen Wert von knapp 9,043 Mil­li­ar­den Euro belie­fen. Das teil­te das Bun­des­wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um der Lin­ken-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Sevim Dagde­len mit.

Der bis­he­ri­ge Höchst­wert der Rüstungs­export­ge­neh­mi­gun­gen von 2019, als Deutsch­land Waf­fen und mili­tä­ri­sche Aus­rü­stung für 8,015 Mil­li­ar­den Euro in alle Welt lie­fer­te, wur­de damit um min­de­stens eine Mil­li­ar­de Euro über­trof­fen. Allein in den letz­ten neun Tagen ihrer Amts­zeit hat die frü­he­re Bun­des­re­gie­rung von Uni­on und SPD mehr als die Hälf­te, näm­lich Expor­te im Wert von fast fünf Mil­li­ar­den, prak­tisch in letz­ter Minu­te erlaubt. Ein eben­so unge­wöhn­li­cher wie bri­san­ter Vorgang.

Beson­ders Geneh­mi­gun­gen über gut 4,339 Mil­li­ar­den Euro für den Export nach Ägyp­ten sor­gen für gro­ße Irri­ta­ti­on. Das Land, das sich im kur­zen ara­bi­schen Früh­ling des jahr­zehn­te­lan­gen Muba­rak-Regimes ent­le­di­gen konn­te, wird seit dem Mili­tär­putsch von Gene­ral al-Sisi 2013 mit gro­ßer Bru­ta­li­tät regiert. Das heißt: Rüstungs­gü­ter für eine Dik­ta­tur, wo Fol­ter und poli­ti­sche Haft All­tag sind.

Ägyp­ten ist auch aktu­ell im Jemen und in Liby­en in Krie­ge ver­wickelt. Den­noch wur­de der Export von Fre­gat­ten und Luft­ab­wehr­sy­ste­men aus den Rüstungs­schmie­den Thys­sen­krupp Mari­ne Systems und Diehl Defence vom Bun­des­si­cher­heits­rat geneh­migt, einem Kabi­netts­aus­schuss, dem neben Mer­kel sie­ben Mini­ster ange­hör­ten. Dar­un­ter ist auch der Finanz­mi­ni­ster, der damals Olaf Scholz hieß.

Die Lin­ken-Außen­po­li­ti­ke­rin Dagde­len kri­ti­sier­te das Ver­hal­ten des heu­ti­gen Kanz­lers scharf. »Olaf Scholz hat sich in der nur noch geschäfts­füh­ren­den Regie­rung ein wah­res Gau­ner­stück gelei­stet und ein­drück­lich demon­striert, wie fol­gen­los die Kri­tik der SPD an skru­pel­lo­sen Waf­fen­ex­por­ten gera­de an Dik­ta­tu­ren und auto­ri­tä­re Regime letzt­lich bleibt«, sag­te sie der dpa.

Der CDU-Außen­po­li­ti­ker Rode­rich Kie­se­wet­ter indes ver­tei­dig­te die Last-Minu­te-Geneh­mi­gun­gen: »Das Han­deln der geschäfts­füh­ren­den Bun­des­re­gie­rung geschah inner­halb des gül­ti­gen Rechts­rah­mens. Des­halb sind die kri­ti­schen Stim­men von Grü­nen und Lin­ken nichts ande­res als Kro­ko­dils­trä­nen.« Deutsch­lands sicher­heits­po­li­ti­sche Inter­es­sen sei­en bei der anste­hen­den Reform der Rüstungs­export­kon­trol­le zu berück­sich­ti­gen, for­dert der CDU-Mann.

Die hei­mi­sche Rüstungs­in­du­strie jeden­falls kann zufrie­den sein. Die Lob­by­isten haben ihren Job ordent­lich erle­digt. Deut­sche Wert­ar­beit von Fir­men wie Rhein­me­tall, Krauss-Maffei Weg­mann und Heck­ler & Koch ist welt­weit gefragt. Auch wenn es sich bei den Begün­stig­ten der zahl­rei­chen Mil­lio­nen-Deals um – freund­lich for­mu­liert – ziem­lich unde­mo­kra­ti­sche, auto­ri­tä­re Regime han­delt, in denen Men­schen­rech­te nicht son­der­lich geach­tet wer­den, die Geschäf­te lau­fen glänzend.

Das soll sich unter der jet­zi­gen Bun­des­re­gie­rung von SPD, Grü­nen und FDP ändern. Sie hat sich – wie­der ein­mal – eine »restrik­ti­ve« Rüstungs­export­po­li­tik auf die Fah­nen geschrie­ben. Im Koali­ti­ons­ver­trag ist fest­ge­schrie­ben, dass die bis­he­ri­gen Richt­li­ni­en dafür in ein Gesetz gegos­sen wer­den sol­len. Ziel ist es, vor allem die Expor­te in Län­der außer­halb von EU und Nato zu beschränken.

Grü­nen-Mini­ster und Vize­kanz­ler Robert Habeck ließ sei­nen par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tär und Par­tei­freund Sven Gie­gold auf die Anfra­ge Dagde­lens ant­wor­ten: Er distan­zier­te sich von den Export­ge­neh­mi­gun­gen der Vor­gän­ger-Regie­rung Merkel/​Scholz und wies dar­auf hin, dass die inkri­mi­nier­ten Geneh­mi­gun­gen »auf Ent­schei­dun­gen der Vor­gän­ger­re­gie­rung zurück­zu­füh­ren sind«, heißt es in sei­nem Schrei­ben. Und Gie­gold weist zur Beschwich­ti­gung auch gleich dar­auf hin, dass die neue Regie­rung in den ersten Tagen ihrer Amts­zeit nur Rüstungs­export­ge­neh­mi­gun­gen gera­de mal im Wert von 3679 Euro erteilt habe.

Frei­lich: Das Jahr 2022 hat gera­de erst begon­nen. Es ist zu befürch­ten, dass auch die Ampel-Regie­rung mil­li­ar­den­schwe­re Rüstungs­expor­te »im deut­schen Inter­es­se« geneh­mi­gen wird. Polit-Rhe­to­rik con­tra Wirk­lich­keit: ein wei­te­res Rekord­jahr ist zu befürch­ten. Die deut­schen Waf­fen­schmie­den kön­nen opti­mi­stisch sein: Auch im neu­en Jahr war­ten Bombengeschäfte.