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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schuldig werden. So oder so

Es gibt sie noch: die vom Aus­ster­ben bedroh­te Art des »kri­ti­schen Intel­lek­tu­el­len«. In einem bemer­kens­wer­ten Gast­bei­trag für den Spie­gel hat der renom­mier­te deut­sche Sozio­lo­ge Hart­mut Rosa kürz­lich einen eben­so beson­ne­nen wie bedrücken­den Text zum Ukrai­ne­krieg vor­ge­legt. Dar­in erklärt er schlüs­sig, dass und war­um die nun – »Zei­ten­wen­de« – in Gang gesetz­te Auf­rü­stungs­spi­ra­le Wla­di­mir Putin zum Sie­ger macht. Das jetzt allent­hal­ben gefor­der­te »Ende aller Koope­ra­ti­on mit dem Geg­ner« gibt im Grun­de alles preis, wofür der Westen vor­geb­lich steht.

Natür­lich, räumt auch Rosa ein, sind »Putins Pan­zer nicht mit Wor­ten und Son­nen­blu­men, auch nicht mit Ver­hand­lungs­an­ge­bo­ten zu stop­pen«. Es gibt ein Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung, und es wäre tat­säch­lich zynisch, aus »gut beheiz­ten Büro­stu­ben und Hör­sä­len« her­aus zu ver­lan­gen, die­ses Recht gegen einen bewaff­ne­ten Geg­ner gefäl­ligst unbe­waff­net aus­zu­üben. Wer aber dar­aus fol­gert, in die­ser Situa­ti­on sei es das ethisch ein­zig Rich­ti­ge, auf Gewalt zu set­zen, »der spielt schon Putins Spiel«.

Nein, der Ukrai­ne auch mit Waf­fen­lie­fe­run­gen bei­zu­ste­hen, mag rich­tig sein. Wir soll­ten uns dabei aber drin­gend bewusst machen, dass wir uns damit in eine Art »Gefan­ge­nen­di­lem­ma« bege­ben, in ein »ethi­sches Dilem­ma exi­sten­zi­el­ler Trag­wei­te« – das uns unwei­ger­lich schul­dig wer­den lässt.

Wer einen sol­chen »bar­ba­ri­schen Rück­fall« dazu nutzt, »flugs ein neu­es Zeit­al­ter der Gewalt­mit­tel aus­zu­ru­fen«, macht sich dem Geg­ner gleich und führt uns – abseh­bar – in die Kata­stro­phe: mili­tä­risch, poli­tisch, sozi­al, ökologisch.

Ohne Pazi­fis­mus und einen den Gebo­ten jeder Ver­nunft fol­gen­den Ökoh­u­ma­nis­mus (sie­he Ossietzky 9/​2022) wird die Zukunft der Mensch­heit eine kur­ze sein.