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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Stamokap ante portas?

Coro­na bedroht die Welt. Die Bun­des­re­gie­rung die deut­sche Wirt­schaft. Mit Ent­eig­nung. Obzwar für die Luft­han­sa nur eine for­mel­le »Staats­be­tei­li­gung« über Akti­en ins Gespräch kam, beschwo­ren fana­ti­sche, markt­ra­di­ka­le Libe­ra­le sofort den Unter­gang des Abend­lan­des. Olaf Scholz, Vize­kanz­ler und Finanz­mi­ni­ster in per­so­na, und Wirt­schafts­mi­ni­ster Peter Alt­mai­er sowie ihre mini­ste­ria­len Den­ker waren offen­sicht­lich vom anti­ka­pi­ta­li­sti­schen Teu­fel geritten.

Was wäre wenn nicht? Eine kom­plet­te Bruch­lan­dung der Kra­nich-Flot­te. Das ent­sprä­che aber auch nicht dem Hin und Her der Markt- und Wirt­schafts­wei­sen. Beson­ders in der FDP, die in der Wäh­ler­gunst gera­de so an der 5-Pro­zent-Hür­de dahindümpelt.

Zum Fakt selbst. Der Bund spen­diert neun Mil­li­ar­den Euro Steu­er­gel­der, um die Luft­han­sa vor dem sofor­ti­gen Aus zu bewah­ren. Drei Mil­li­ar­den Euro sind Dar­le­hen der Kre­dit­an­stalt für Wie­der­auf­bau (KfW), mit­hin neue Schul­den. Die rest­li­chen sechs Mil­li­ar­den Euro kom­men aus dem staat­li­chen Wirt­schafts­sta­bi­li­sie­rungs­fonds (WSF). Mit dem Ziel, dass der WSF im Zuge einer Kapi­tal­erhö­hung Akti­en zeich­net, um eine Betei­li­gung von 20 Pro­zent am Grund­ka­pi­tal der Flug­ge­sell­schaft auf­zu­bau­en. Mit der Sperr­mi­no­ri­tät soll ein Mini­mum an Mit­spra­che gewähr­lei­stet wer­den. Sozia­les steht außen vor.

Zuge­ge­ben: Ein staats­ka­pi­ta­li­sti­scher Weg wird nie All­heil­mit­tel gegen die system­im­ma­nen­ten Krank­hei­ten sein. Alle­mal bes­ser ange­ra­ten, als Mil­li­ar­den und Bil­lio­nen Euro oder Dol­lar dem Göt­zen Anti­staat zu opfern.

Das heu­ti­ge Uni­kum Staat dient ein­zig dem Zweck, es für sich selbst und sei­ne Bür­ger poli­tisch, wirt­schaft­lich und sozi­al zu erhal­ten – unter kapi­ta­li­sti­schen Bedin­gun­gen. Da aber ist nach allen Lehr­mei­nun­gen Kapi­tal­ver­wer­tung statt -ver­nich­tung ange­sagt. Nicht nur in bedroh­li­chen Zei­ten wie diesen.

Auf jeden Fall wären so die brav mit schwar­zer Null ange­spar­ten Mil­li­ar­den bes­ser ange­legt. In erster Linie, wenn bei gro­ßen wie mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men Liqui­di­tät ohne Kre­dit­schul­den ent­steht. Zudem gibt es kei­ner­lei grund­ge­setz­li­che Schran­ken, dass der Staat selbst nicht unter­neh­me­risch tätig wer­den darf. Auch sind Betei­li­gung und Ent­eig­nung – so klar ist der Wort­sinn für jeden Lese­kun­di­gen – weder iden­tisch noch gleichzusetzen.

Einen Haken hat die Sache. Die Idee des staats­mo­no­po­li­sti­schen Kapi­ta­lis­mus (Sta­mo­kap) ent­stammt nicht den Sche­ma­ta heu­ti­ger Denk­fa­bri­ken, somit ist sie per se unten durch.

Die vehe­men­ten Kri­ti­ker müss­ten gar nicht erst bei Bis­marck, Lenin oder Wal­ter Ulb­richt über Sinn, Zweck und Nut­zen nach­le­sen. Allein die berühm­te Frank­fur­ter Schu­le um Max Hork­hei­mer und Fried­rich Pol­lock mit sei­ner Theo­rie über die­se Wirt­schafts­form wür­de aus­rei­chen. Aus der Gegen­wart wäre zum Bei­spiel bei dem ita­lie­ni­schen Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Finanz­fach­mann Vla­di­mi­ro Giac­ché reich­lich Erkennt­nis­pro­fit zu erzie­len (sie­he »Good­bye Lenin?«, Ossietzky 15/​2017, »Lenin pur«, Ossietzky 17/​2019, »Anschluss«, Ossietzky 7/​2015).

Ja, und da ist die Volks­re­pu­blik Chi­na unbe­dingt zu erwäh­nen. Bei der Ein­füh­rung der staat­li­chen Betei­li­gung an pri­va­ten Unter­neh­men in der DDR bezog sich Wal­ter Ulb­richt aus­drück­lich auf den chi­ne­si­schen Weg der dama­li­gen fünf­zi­ger Jah­re. Die heu­ti­ge Unter­neh­mens­viel­falt in Fern­ost wider­legt jedes Anti gegen rei­ne Staats­un­ter­neh­men und staat­li­che Betei­li­gun­gen. Sie offen­bart ein prak­ti­ka­bles Bild unter­schied­li­cher Eigen­tums­for­men und Kapi­tal­ver­hält­nis­se – durch­aus zum Nut­zen des chi­ne­si­schen Staats­we­sens und sei­ner ein­be­zo­ge­nen Bürger.

Es hat den Anschein, dass deut­sches Gesell­schafts­recht nichts mehr im eige­nen Land gilt. Der Staat als Unter­neh­mer wur­de seit 1990 erst als »inef­fi­zi­ent« in Ver­ruf gebracht und dann den tur­bo­ka­pi­ta­li­sti­schen Attacken à la Meh­dorn & Co. ausgeliefert.

Vor­geb­lich Wirt­schafts­wei­se ver­sag­ten auf brei­ter Front. Die Poli­tik folg­te fal­schen Pro­phe­ten. Nur eini­ge Ergeb­nis­se: Bahn am Ende, Post mon­tags nie, staat­li­ches Gesund­heits­we­sen per­du, kom­mu­na­les Eigen­tum zu Spott­prei­sen ver­schleu­dert und Woh­nen ren­di­te­hung­ri­gen Kon­zer­nen übereignet.

Letzt­end­lich kam der rechen­künst­le­ri­sche Bumms des Finanz­mi­ni­sters. Der Koali­ti­ons­aus­schuss von CDU, CSU und SPD in ali­bi­strit­ti­ger Drei­ei­nig­keit sowie die Bun­des­re­gie­rung mit einem oppo­si­tio­nel­len Gegen­lüft­chen schüt­te­ten Staats­kne­te wie Regen übers Land.

Selbst­lo­bend ist es selbst­ver­ständ­lich das größ­te Hilfs­pa­ket in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik. Der Umfang der haus­halts­wirk­sa­men Maß­nah­men beträgt ins­ge­samt 353,3 Mil­li­ar­den Euro und der Umfang der Garan­tien ins­ge­samt 819,7 Mil­li­ar­den Euro. Zur Finan­zie­rung wird der Bund neue Kre­di­te in Höhe von rund 156 Mil­li­ar­den Euro aufnehmen.

Vor so vie­len Mil­li­ar­den und Kre­di­ten wird bra­ven Bun­des­bür­gern ganz schwin­de­lig und ban­ge. Eine schwä­bi­sche Haus­frau muss dafür sehr arg spa­ren. Von Hartz-IV-Betrof­fe­nen ganz zu schwei­gen. Sie haben gefäl­ligst ihr müh­sam Erspar­tes erst bis auf den letz­ten Cent auf­zu­brau­chen, um gnä­dig gestat­tet eine Hil­fe bean­tra­gen zu dürfen.

Wie­viel Nul­len hat eigent­lich eine Mil­li­ar­de, und wie­viel Mil­lio­nen sind es? Nur Histo­ri­ker und Numis­ma­ti­ker könn­ten es mit dem Infla­ti­ons­geld der 20er Jah­re des vori­gen Jahr­hun­derts begriff­lich vor­stell­bar machen.

Ber­tolt Brecht riet im »Lob des Ler­nens« den Unter­pri­vi­le­gier­ten: »Prü­fe die Rech­nung /​ Du mußt sie bezah­len. /​ Lege den Fin­ger auf jeden Posten /​ Fra­ge: Wie kommt er hierher?«

Der ganz dicke Bumms steht uns allen also noch bevor.