Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Verlogene Selbstanmaßung

Von der Ley­en sag­te zu den Chi­ne­sen: »Kein euro­päi­scher Bür­ger wür­de es ver­ste­hen, wenn es irgend­ei­ne Unter­stüt­zung für Russ­lands Fähig­keit geben wür­de, Krieg zu führen.«

Die­ser Satz ist in mehr­fa­cher Hin­sicht ver­lo­gen. Für wen spricht die Spit­zen­frau der Euro­päi­schen »Wer­te-Uni­on«? »Kein euro­päi­scher Bür­ger«: 1. Sind Rus­sen etwa kei­ne Euro­pä­er, son­dern nur Asia­ten? 2. Sind die­je­ni­gen, die vor einer Nato-Ost­erwei­te­rung seit 1990 drin­gend warn­ten, weil sie die müh­sam erar­bei­te, gemein­sa­me euro­päi­sche Sicher­heits­ar­chi­tek­tur seit 1990 zer­stör­te, kei­ne Euro­pä­er? 3. Sind die­je­ni­gen, die war­nend auf einen anti­rus­si­schen Kon­fron­ta­ti­ons­kurs und Regime-Putsch in der Ukrai­ne hin­wie­sen, kei­ne Euro­pä­er? 4. Sind die­je­ni­gen, die vor einer Nato-Mili­ta­ri­sie­rung der Ukrai­ne warn­ten, kei­ne Euro­pä­er? 5. Sind die­je­ni­gen, die dage­gen sind, die Fähig­keit der Ukrai­ner mit Hil­fe von Nato-Waf­fen, also auch mit deut­schen Waf­fen, im Krieg gegen die Rus­sen zu unter­stüt­zen, etwa kei­ne Euro­pä­er? 6. Sind die­je­ni­gen, die gegen eine bei­spiel­lo­se Auf­rü­stung der haus­hoch über­le­ge­nen Nato und der Bun­des­wehr pro­te­stie­ren, kei­ne Euro­pä­er? 7. Sind die­je­ni­gen, die eine ergeb­nis­of­fe­ne Ermitt­lung der Tötung von Men­schen bei Kiew und anders­wo und kei­ne vor­schnel­le Vor­ver­ur­tei­lung der Rus­sen ver­lan­gen, kei­ne Euro­pä­er? Oder soll sich die Nato jetzt gezwun­gen sehen, wie im Irak, direkt zu intervenieren?

Der Ant­wort der chi­ne­si­schen Sei­te stim­me ich zu: »Einen ein­fa­chen Ansatz von Freund und Feind zu wäh­len, ist unklug. Eine Men­ta­li­tät des Kal­ten Krie­ges und die Kon­fron­ta­ti­on der Blöcke soll­te abge­lehnt werden.«

Denn eine huma­ne Zukunft der Mensch­heit kann es nur geben, wenn die »Kon­fron­ta­ti­on der Blöcke« und die »Men­ta­li­tät des Kal­ten Krie­ges« end­lich über­wun­den und wie­der, alter­na­tiv­los, nach einer glo­ba­len Archi­tek­tur gemein­sa­mer Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit gesucht wird, wie es sie anschei­nend noch bis 1989 gab. Oder war das nur eine Kriegs­list des Westens? Die Nato-Poli­tik nach 1990 gegen Russ­land und Chi­na hat jeden­falls genau das Gegen­teil von »Sicher­heit« und »Zusam­men­ar­beit« bewirkt: Bei­spiel­lo­se Kon­fron­ta­ti­on, nie gekann­te glo­ba­le Unsi­cher­heit, mili­tä­ri­sche Res­sour­cen­ver­schwen­dung sowie eine unun­ter­bro­che­ne Ket­te von Regime-Chan­ge-Krie­gen und leid­vol­le Flücht­lings­strö­me über­all auf der Welt. Solan­ge die­se men­schen­ver­ach­ten­de Kon­fron­ta­ti­ons­po­li­tik des Westens, angeb­lich im Namen »west­li­cher Wer­te­ord­nung«, in Wahr­heit zur glo­ba­len Vor­herr­schaft des Kapi­tals, nicht über­wun­den wird, kann es nie­mals eine fried­li­che Ent­wick­lung auf der Welt geben, son­dern nur noch eine unauf­halt­sa­me öko­lo­gi­sche und sozia­le Apokalypse.