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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Von wegen Bienenfleiß

Man will es ein­fach nicht glau­ben …, aber frü­her in der Schu­le und im Eltern­haus wur­den uns die Bie­nen immer als emsig und streb­sam geprie­sen – vor allem mit dem Hin­ter­ge­dan­ken, dass wir uns gefäl­ligst ein Bei­spiel dar­an neh­men soll­ten. Doch die Sache mit dem sprich­wört­li­chen Bie­nen­fleiß ist nicht mehr als ein erstun­ke­nes Mär­chen. Renom­mier­te Bie­nen­for­scher haben her­aus­ge­fun­den, dass Bie­ne Maja gar nicht so emsig und betrieb­sam ist, wie land­läu­fig ange­nom­men wird – sie lun­gert viel­mehr dau­ernd im Bie­nen­stock her­um und lässt die Flü­gel hän­gen. Vier­zig Pro­zent ihrer Zeit ver­bringt sie ein­fach mit Nichts­tun. Nach den Maß­stä­ben unse­rer moder­nen Lei­stungs­ge­sell­schaft also ein stink­fau­les Insekt, aller­dings mit einem pro­fes­sio­nel­len Fleißiges-Lieschen-Image.

Auch der Amei­se wer­den Arbeits­ei­fer und Streb­sam­keit nach­ge­sagt. Doch da bin ich jetzt skep­tisch gewor­den. Über­haupt soll­ten die For­scher ein­mal Bären­stär­ke, Fuchs­schläue und Schwa­nen­schön­heit unter die Lupe neh­men. Könn­te ja sein, dass sich dann anti­lo­pen­schnell als lahm­ar­schig und ele­fan­ten­groß als küm­mer­lich her­aus­stel­len. Ich wür­de mich nicht wun­dern, wenn das Faul­tier das flei­ßig­ste Tier auf unse­rem Glo­bus wäre.

Nun fra­ge ich mich besorgt, was machen wir jetzt mit sol­chen Lebens­weis­hei­ten wie »Ohne Fleiß kein Preis« oder »Fleiß ist aller Tugen­den Anfang«. Sol­len wir die­se Sprü­che in unse­ren alten Poe­sie­al­ben aus­ra­die­ren und fett dar­über schrei­ben: »Wer flei­ßig ist wie eine Bie­ne, Kräf­te hat wie ein Stier, rackert wie ein Pferd, abends müde ist wie ein Hund, soll­te schleu­nigst zum Tier­arzt gehen: Viel­leicht ist er ein Kamel!«