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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der Mensch Bertolt Brecht

Auf der Ber­li­na­le, am 9. Febru­ar, hat­te Hein­rich Bre­loers Doku-Fic­tion BRECHT sei­ne Welt­pre­mie­re. Der Titel, in Groß­buch­sta­ben, ist genau was B.B. sich aufs Grab geschrie­ben im Testa­ment gewünscht hat­te – nicht ein Buch­sta­be mehr. (Auf sei­nem Grab­stein steht »Ber­tolt Brecht« – also nicht genau wie gewünscht, aber doch kei­ne rüh­men­de Phra­se.) Und so ist der drei Stun­den lan­ge Film – in zwei Tei­len – ein wenig kul­tisch: Die Film­för­de­rung galt als »natio­na­les« (Brecht wird sich im Grab umge­dreht haben!) Anlie­gen«, der Bun­des­prä­si­dent erschien mit Ehe­frau Elke Büdenbender.

Im ersten Teil muss der jun­ge Brecht (Tom Schil­ling), Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer im Ersten Welt­krieg, mit etli­chen Ver­fein­dun­gen aus Eifer­sucht fer­tig wer­den, im »rei­fen« Teil (Burg­hart Klauß­ner als Brecht) sorgt Hele­ne Weigel (Ade­le Neu­hau­ser) als »Weg­ge­fähr­tin trotz alle­dem« immer wie­der fürs ruhi­ge Leben mit dem nöti­gen Augen­zwin­kern und gele­gent­lich mal Adress­wech­sel – falls nötig.

Frau­en­held Brecht: ja. Poli­ti­scher Held: auch das. Vor der Nazi-Herr­schaft in die USA gegan­gen, knallt ihm der McCar­thy-Aus­schuss mit dem (wie eine Brecht-Sati­re klin­gen­den) Titel »Gegen uname­ri­ka­ni­sche Umtrie­be« die Türen des Lan­des zu, obwohl ihm kei­ne Anti-US-Aktio­nen außer dem Stücke­schrei­ben selbst nach­zu­wei­sen sind. Er geht für ein paar Jah­re in euro­päi­sche Län­der außer­halb der Reich­wei­te des Hit­ler-Ter­rors (im Film aus­ge­spart) – und schließ­lich in die Deut­sche Demo­kra­ti­sche Republik.

Dort bemüht er sich um das Ber­li­ner Thea­ter am Schiff­bau­er­damm: Ewig Mie­ter sein? Brecht will Boss sein, und er wird es auch – die Drei­gro­schen­oper ist der – auch kom­mer­zi­ell erfolg­rei­che – Ein­stieg in sein Thea­ter. Und Brecht muss den 17. Juni 1953 erle­ben. Den Auf­stand kom­men­tiert er mit dem legen­dä­ren demo­kra­tie-tech­ni­schen Spruch, die Regie­rung möge doch bes­ser das Volk auf­lö­sen und sich ein ande­res wäh­len. Im Film schließt er das Papier mit die­sem wei­sen Wort laut­los in eine Schreib­tisch­schub­la­de ein: sehr ein­drucks­vol­le Sze­ne. Nicht lan­ge danach lässt er sich mit einem Sta­lin-kul­ti­schen Orden aus­zeich­nen. Und wenig spä­ter klärt er sich über Sta­lins Staats­ver­bre­chen auf. Ach­sel­zuckend, aber nicht etwa gleich­gül­tig. Dann stirbt er, mit nur 59 Jah­ren. Was, wenn er län­ger gelebt hätte?

B.B. trägt das star­ke Indi­vi­du­um, den Boss, auch als Chef des Ber­li­ner Ensem­ble im Schiff­bau­er­damm-Thea­ter ins Leben und auf die Büh­ne, wenn er die Schau­spie­le­rIn­nen kom­man­diert: immer gegen das »Illu­strie­ren«, immer für die Stär­kung der selb­stän­di­gen Lern­fä­hig­keit des Publi­kums. Auch die­ses drit­te Lebens­spek­ta­kel – Machis­mus, Sozia­lis­mus, epi­sches Thea­ter – bringt der Film als Schick­sal des mäch­tig und zugleich die­nend Enga­gier­ten. Für die gro­ßen Zie­le und für die Men­schen, um derent­wil­len sie erreicht wer­den sollen.

Hät­te Brecht 1989 auf dem Ber­li­ner Alex­an­der­platz für eine neue, eine demo­kra­ti­sche DDR mit-gegen-demon­striert? Wäre er bei den fried­lich-revo­lu­tio­nä­ren Grup­pen, denen die SED schließ­lich das Haus der Demo­kra­tie über­ließ, auf­ge­taucht? Der Film lässt die­se Fra­gen offen. Öffent­lich­keit fragt hier nicht stark wei­ter, die Geschich­te der DDR-Oppo­si­ti­on wird nicht mit dem ver­dien­ten Gewicht befragt. – Ach ja: Einen Preis hat BRECHT auf der Ber­li­na­le nicht erbeutet.

Am 22. März ist der Zwei­tei­ler auf arte und am 27. März in der ARD zu sehen, jeweils ab 20.15 Uhr. Bre­loers »Brecht. Roman sei­nes Lebens« ist 2019 bei Kie­pen­heu­er & Witsch erschie­nen (544 Sei­ten, 26 €).