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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Vorausschauende Fake-News

Eine Fake-News-Agen­cy (fna) mit dem Anspruch, nur erfun­de­ne Nach­rich­ten zu ver­brei­ten, hat das Ber­li­ner Express-Sati­re-Team gegrün­det. Das schreibt von sich: »Sie dür­fen getrost davon aus­ge­hen, dass unse­re Arti­kel – zumin­dest zum Teil – völ­lig frei erfun­den wur­den. Es kann aber sein, dass Sati­re zur Rea­li­tät wird. Dar­auf Ein­fluss neh­men kön­nen wir aber nicht.«

So wie beim fna-Inter­view mit Frau Mer­kel, in dem ihr fol­gen­de Wor­te in den Mund gelegt wer­den: »Wir müs­sen auf den drit­ten Welt­krieg vor­be­rei­tet sein, wenn der freie und libe­ra­le Westen gegen die dunk­len dik­ta­to­ri­schen Mäch­te Russ­land und Chi­na kämp­fen« wird. Immer­hin wür­den die bei­den Staa­ten ver­su­chen, »die Welt­herr­schaft von den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka her­aus­zu­for­dern und die gan­ze Welt zu unter­jo­chen«. Das hat sie selbst­ver­ständ­lich nicht gesagt. Es ent­sprä­che ja der Wahr­heit. Nein, Frau Mer­kel sagt lie­ber: »Russ­land hat den INF ver­letzt«, denn das ist nicht ein­mal die hal­be Wahr­heit, wenn man schon nicht direkt von einer Lüge spre­chen will. In Wahr­heit haben die USA mit ihrer Sta­tio­nie­rung von Mit­tel­strecken­ra­ke­ten in Rumä­ni­en schon 2016 den Ver­trag über nuklea­re Mit­tel­strecken­sy­ste­me (INF-Ver­trag) ver­letzt und haben mit der Sta­tio­nie­rung der Rake­ten in Polen eine wei­te­re Ver­let­zung vor­ge­se­hen – da kün­digt man doch lie­ber gleich vor­aus­schau­end den Vertrag.

Auch sonst denkt die US-ame­ri­ka­ni­sche Regie­rung vor­aus­schau­end: »Ich den­ke, es ist bes­ser für den Über­gang zur Demo­kra­tie in Vene­zue­la, wenn er [Madu­ro] außer Lan­des ist, und es gibt eine Rei­he von Län­dern, die bereit wären, ihn auf­zu­neh­men« (Elliott Abrams, US-Son­der­be­auf­trag­ter für Vene­zue­la, bei einer Pres­se­kon­fe­renz in Washing­ton, zitiert nach MAZ, 9./10.2.19). Und wenn er nicht außer Lan­des geht, muss er eben besei­tigt wer­den! Dumm nur, dass die Nach­barn Vene­zue­las kei­ne mili­tä­ri­schen Auf­marsch­ge­bie­te sein wol­len und inner­staat­li­che, fried­li­che Lösun­gen bevor­zu­gen. Da wird wohl die US Army selbst die Sache in die Hand neh­men müs­sen. Viel­leicht gelingt es ihr ja wie in Chi­le 1973 durch Mord an füh­ren­den regie­rungs­treu­en vene­zo­la­ni­schen Gene­rä­len einen Mili­tär­putsch in Cara­cas doch noch hin­zu­krie­gen. Für die Befrei­ung des vene­zo­la­ni­schen Öls aus der sozia­li­sti­schen Knecht­schaft. »Wir sind im Gespräch mit den wich­tig­sten [US-]amerikanischen Unter­neh­men, damit sie das Öl in Vene­zue­la pro­du­zie­ren«, zitier­te die jW John Bol­ton, den Natio­na­len Sicher­heits­be­ra­ter des US-Prä­si­den­ten, nach Fox Busi­ness. Vor­aus­schau­end! Denn der von den USA aner­kann­te Inte­rims-Prä­si­dent Vene­zue­las, Guai­dó, hat­te schon weni­ge Stun­den nach sei­ner Selbst­er­nen­nung erklärt, das vene­zo­la­ni­sche staat­li­che Ölun­ter­neh­men pri­va­ti­sie­ren zu wol­len – auch wenn das laut der Ver­fas­sung, auf die er sich sonst gern beruft, nicht mög­lich ist.

Wie vie­le Bei­ne hat ein Pferd? Und wer zieht an den Zügeln, wenn das mysti­sche Pferd »unse­re Wirt­schaft« ist? Bun­des­wirt­schafts­mi­ni­ster Peter Alt­mai­er (CDU) möch­te gern die Zügel in die Hand neh­men. »Aber es ist auch unfair, das Pferd, das aus unse­rer Wirt­schaft, aus unse­ren mit­tel­stän­di­schen, unse­ren gro­ßen Unter­neh­men besteht, in einen inter­na­tio­na­len Wett­lauf zu schicken, bei dem ihm bei­de Bei­ne gebun­den sind: zwei durch natio­na­le Ent­schei­dun­gen und Rege­lun­gen und zwei von inter­na­tio­na­len Wirt­schafts­räu­men, mit denen wir im Wett­be­werb ste­hen.« (Rede Alt­mai­ers am 5. Febru­ar zur Natio­na­len Indu­strie­stra­te­gie 2030, https://www.bmwi.de) Wird das Pferd dann zum Kriech­tier? Kriecht es in die Rezes­si­on? Da sei das Bun­des­amt für Sta­ti­stik vor, das ein Wirt­schafts­wachs­tum sieht, auch wenn es nicht da ist. Die Natio­na­le Indu­strie­stra­te­gie 2030 des Mini­sters will die aus­ge­tre­te­nen Pfa­de der Frei­en Markt­wirt­schaft, des Lais­sez-fai­re, ver­las­sen und möch­te Mono­po­le staat­lich för­dern – das ist ein alter Hut, aber bis­her wur­de er eher im Dunk­len getra­gen. Das als »neue« Stra­te­gie zu ver­kau­fen, ist schon frech.

Noch fre­cher ist es aber, den Sach­ver­stand der tau­sen­den ver­be­am­te­ten Mini­ste­ri­ums­mit­ar­bei­ter zu unter­schät­zen: Für exter­ne Bera­tung und Unter­stüt­zung gab die Bun­des­re­gie­rung 2017 mehr als 722 Mil­lio­nen Euro aus. Das teil­te sie Mit­te Febru­ar auf eine Anfra­ge der Grü­nen-Frak­ti­on im Bun­des­tag mit. Die­se Regie­rung baut zwar kei­ne Grenz­mau­er, trennt aber die poli­ti­sche Ent­schei­dungs­fin­dung durch sol­che »Bera­tun­gen« von den zumin­dest mal beei­det dem Vol­ke Die­nen­den ab.

Sei­ne Mau­er zu Mexi­ko wird Donald Trump bau­en, egal was die gewähl­ten Reprä­sen­tan­ten des Vol­kes dazu sagen. Er hat den natio­na­len Not­stand aus­ge­ru­fen, und der kann nur mit­hil­fe sei­ner Mau­er been­det wer­den, meint Mr. Trump. Wer nur einen Ham­mer hat, dem ist jedes Pro­blem ein Nagel.

Ein Nagel im Fleisch ist den Regie­ren­den eine Bewe­gung von unten, die ihren Ver­stand anzwei­felt und stän­dig Alter­na­ti­ven auf­zeigt. Die Orga­ni­sa­ti­on attac ist gemein zu Kon­zer­nen und ihren Poli­ti­kern und nütz­lich für Steu­er­zah­ler und Ver­brau­cher. Jetzt hat der Bun­des­fi­nanz­hof das für attac im Gemein­nüt­zig­keits­streit zunächst posi­ti­ve Urteil des Finanz­ge­richts Kas­sel auf­ge­ho­ben und das Ver­fah­ren nach Kas­sel zurück­ver­wie­sen. Denn gemein­nüt­zig ist nur, wer Wis­sen bil­det, aber nicht, wer aus die­sem Wis­sen poli­ti­sche For­de­run­gen erhebt. Das Urteil rich­tet sich nicht nur gegen attac, son­dern gegen vie­le poli­tisch täti­ge Ver­ei­ne. Nur Par­tei­en dür­fen gesetz­mä­ßig poli­ti­sche Wil­lens­bil­dung betrei­ben und ihre Gön­ner dafür Spen­den von der Steu­er abset­zen. Eine Geset­zes­auf­fas­sung, die zwar die jet­zi­ge Ver­fasst­heit des Staa­tes schützt, aber nicht die Verfassung.

Oft kopiert – nie erreicht: Die Fran­zo­sen haben ein­fach mehr Power auf der Stra­ße. Oder kön­nen wir Deut­schen das auch? Ja! Die Gelb­we­sten mar­schie­ren in Stutt­gart, jeden Sonn­abend! Und woge­gen pro­te­stie­ren die Schwa­ben? Gegen den wahn­sin­ni­gen Tief-Bahn­hof Stutt­gart 21? Nein, das machen sie mon­tags, und schon seit Jah­ren, und zwar völ­lig berech­tigt. Die Schwa­ben vom Sams­tag sind gegen das Fahr­ver­bot, das für Die­sel­fahr­zeu­ge mit Abgas­norm 4 und nied­ri­ger in Stutt­gart herrscht – seit 1. Janu­ar für Aus­wär­ti­ge und ab 1. April auch für die Bewoh­ner der Lan­des­haupt­stadt. Sie wol­len nicht »DIE ESEL einer be-SCHEU­ER-ten Poli­tik« sein, wie es auf ihren Schil­dern steht. Ins Leben geru­fen hat die Bewe­gung ein Por­sche-Mit­ar­bei­ter. Wenn das kein »Geschmäck­le« hat! Der­weil lau­fen in 24 deut­schen Städ­ten noch Ver­fah­ren, ange­strengt von der Deut­schen Umwelt­hil­fe, um Fahr­ver­bo­te zu erzwin­gen. Krie­gen wir dann auch in Deutsch­land die gel­be Gefahr? Ich schaue Fake-News voraus …