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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein Kabinettstück

Mehr­fach ver­klei­det erzählt dies­mal Chri­stoph Hein seins. So lässt er die inzwi­schen alt gewor­de­ne Stief­toch­ter Les­sings in einem Brief von den letz­ten Tagen des Dich­ters berich­ten. Das ist mitt­ler­wei­le an die 60 Jah­re her, und den­noch weiß Ama­lie noch alles sehr genau. Les­sing war – bereits krank – von Wol­fen­büt­tel nach Braun­schweig gefah­ren, erlitt dort einen »Stick­fluss, der ihn teil­wei­se lähm­te und ihm zeit­wei­lig sogar die Spra­che nahm«. Die damals zwan­zig­jäh­ri­ge Ama­lie fährt zum Stief­va­ter, erlebt ihn schwach, doch hin und wie­der sehr wach gegen­über sei­nen Lebens­ver­hält­nis­sen. Er klagt sich an, nicht mutig genug gegen­über den Zwän­gen gewe­sen zu sein, und will in sei­nem näch­sten Stück – »Der Der­wisch« – mit Kri­tik nicht hin­ter dem Berg hal­ten. Er räso­niert über die Gesell­schaft, die Lite­ra­tur und die Lite­ra­tur­ver­hält­nis­se und schimpft auf die Für­sten, die ihm sein Leben ver­gäll­ten. Trotz des anfäng­lich bes­ser schei­nen­den Befin­dens ver­schlech­tert sich sein Zustand, er stirbt, nicht ohne das Wort, das nur für sein »Mal­chen« bestimmt war.

Eine Erzäh­lung, die ganz dem unbe­stech­li­chen Les­sing und sei­ner Zeit ver­pflich­tet ist. Es hat dem Autor Spaß gemacht, sich in die Spra­che und die Welt Les­sings zu bege­ben, uns einen etwas stör­ri­schen Kran­ken vor­zu­füh­ren, der scho­nungs­los abrech­net. Fast könn­te man den­ken, Hein meint nicht nur die Ver­hält­nis­se Lessings.

Chri­stoph Hein: »Ein Wort allein für Ama­lie«, Insel Ver­lag, 86 Sei­ten, 14