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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein kühler Mai

»Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bau­ern Scheun’ und Fass«, lau­tet eine alte Bau­ern­re­gel. Bei fast täg­li­chen Regen­schau­ern und gedämpf­ten Tem­pe­ra­tu­ren in den ersten Mai­wo­chen die­ses Jah­res konn­te jeder den Wahr­heits­ge­halt die­ser Regel über­prü­fen. Die Natur schien förm­lich zu explo­die­ren. Stra­ßen­bäu­me, gestern noch blatt­los, hat­ten weni­ge Tage spä­ter ein dich­tes Blät­ter­werk. Acker­flä­chen, Wie­sen und Park­an­la­gen strotz­ten plötz­lich mit saf­ti­gem Grün. Mit der gebrem­sten Son­nen­strah­lung erfreu­ten uns die letz­ten Früh­jahrs­blü­her meh­re­re Tage lang, und auf den benach­bar­ten Fel­dern blüh­te bereits Anfang Mai der Raps.

Was Klein­gärt­ner und Land­wir­te erfreu­te, löste jedoch nicht bei jedem Begei­ste­rung aus. Im Freun­des- und Bekann­ten­kreis, aber auch in sozia­len Medi­en wur­de über den küh­len und nas­sen Mai gestöhnt, ja, geflucht. Vie­le woll­ten end­lich auf der Ter­ras­se angril­len, im Gar­ten­pool anba­den oder mit dem Feu­er­stuhl die erste Früh­lings­aus­fahrt unter­neh­men. Obwohl der nas­se Mai die Nie­der­schlags­de­fi­zi­te der letz­ten Jah­re bei wei­tem nicht aus­glei­chen konn­te, wur­de er als Stör­fak­tor unse­rer Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten empfunden.

Wenn ich durch unse­re Neu­bau­sied­lung gehe, kann ich nur den Kopf schüt­teln über die vie­len zube­to­nier­ten Flä­chen, die Stein­vor­gär­ten und die Pool­an­la­gen mit etli­chen Kubik­me­tern Was­ser – wäh­rend vor den Grund­stücken die neu­ge­pflanz­ten Stra­ßen­bäu­me in den Som­mer­mo­na­ten gera­de­zu um ein paar Liter Nass betteln.

Kli­ma­schutz ist immer noch ein Lip­pen­be­kennt­nis. Natür­lich wol­len wir das Kli­ma ret­ten, aber bit­te ohne Ein­schrän­kung unse­rer lieb­ge­won­ne­nen Gewohn­hei­ten – und das Wet­ter möge sich bit­te auch danach richten.