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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Grund zu feiern?

Es waren auch in der DDR nicht die vie­len angeb­lich angst­frei­en und muti­gen Men­schen, die von einem ver­knö­cher­ten System mehr mensch­li­che Ver­än­de­run­gen ver­lang­ten, als die­ses in der Lage oder bereit gewe­sen ist, mit Refor­men zu ermög­li­chen. Es war eine ver­schwin­den­de Min­der­heit, die trotz ihrer Äng­ste ins Han­deln kam. Die vie­len Angst­frei­en und Muti­gen tra­ten erst in Erschei­nung, als die Repres­sio­nen nach­lie­ßen. Hier beginnt bereits die Fäl­schung in der Geschichts­schrei­bung. Und die ver­schwin­den­de Min­der­heit woll­te rechts­staat­li­ches Han­deln auch und gera­de von den Regie­ren­den sowie einen acht­sa­men Umgang mit der Mit­welt. Sie woll­te kei­nen Wohl­stand auf Kosten ande­rer Län­der und künf­ti­ger Generationen.

Seit 1999 gibt es kei­nen ein­zi­gen Tag ohne Kriegs­be­tei­li­gung von Bun­des­wehr­mit­glie­dern. Die­se 20 Jah­re Dau­er­krie­ge sind eine Fol­ge unse­res poli­ti­schen Ein­sat­zes in der DDR! Ohne Zusam­men­bruch des Ost­blocks gäbe es kei­ne Ost­erwei­te­rung der NATO und kei­ne so dumm­fre­che Kriegs­trei­be­rei jen­seits des Völ­ker­rechts durch die uns Regie­ren­den und das Militär.

Ich habe in der DDR trotz mei­ner Äng­ste wider­spro­chen, gefor­dert, gestrit­ten und mich expo­niert. In Anbe­tracht die­ser 20 Jah­re Kriegs­ge­schich­te schä­me ich mich heu­te dafür. Hät­te eine ver­schwin­den­de Min­der­heit, zu der ich damals zähl­te, nicht so deut­lich wider­spro­chen, wür­den heu­te nicht schon wie­der Auto­bah­nen nach Osten für Kriegs­ge­rät ertüch­tigt und Pan­zer an die rus­si­sche Gren­ze geschickt.

Was soll­te ich an die­ser Situa­ti­on fei­ern können?

Unser, mein Wider­spruch damals hat zu den heu­ti­gen Kriegs­trei­be­rei­en mit bei­getra­gen, dies gilt es zunächst zu erken­nen. Die Kriegs­trei­be­rei­en ver­sto­ßen zu gro­ßen Tei­len gegen das Völ­ker­recht und unser Grund­ge­setz. Trotz­dem unter­nimmt die Justiz seit 20 Jah­ren nichts, um staat­li­ches Han­deln an gül­ti­ges Recht zurück­zu­bin­den. Die Justiz wird in dem Zusam­men­hang immer erst tätig, wenn es dar­um geht, die staat­li­chen Rechts­brü­che vor unse­ren Ein­grif­fen zu schüt­zen. Unse­re gewalt­frei­en Inter­ven­tio­nen in staat­li­che Unrechts­pra­xis wer­den von der Justiz kri­mi­na­li­siert. Unse­re vor über 30 Jah­ren erho­be­ne For­de­rung nach rechts­staat­li­chem Han­deln hat zu einer ent­ge­gen­ge­setz­ten Pra­xis geführt.

Was soll­te ich an die­ser Situa­ti­on fei­ern können?

Gro­ße Tei­le des Land­krei­ses Stend­al wer­den für Kriegs­vor­be­rei­tun­gen miss­braucht. Genannt sei­en hier nur der Trup­pen­übungs­platz Klietz und die Col­bitz-Letz­lin­ger Hei­de. Dort wer­den Mil­li­ar­den­be­trä­ge auf Umwelt zer­stö­ren­de Wei­se für Kriegs­übun­gen ver­geu­det, und gleich­zei­tig zählt unser Land­kreis zu den ärm­sten der BRD. Dadurch gehen Kin­der aus Stend­al mor­gens ohne Früh­stück hung­rig in die Schulen.

Was soll­te ich an die­ser Situa­ti­on fei­ern können?

Wir waren in der DDR eine ver­schwin­den­de Min­der­heit, die letzt­end­lich tief­grei­fen­de Ände­run­gen ange­sto­ßen hat. Nur sind unse­re dama­li­gen Zie­le nicht im Ansatz erreicht. Die Wen­de ist noch nicht zu Ende, weil wir dem Frie­den in Gerech­tig­keit und der Ach­tung vor der Mit­welt seit dem Ende der DDR nicht näher gekom­men sind.

Was soll­te ich an die­ser Situa­ti­on fei­ern können?

Wenn Min­der­hei­ten tief­grei­fen­de Ände­run­gen ansto­ßen konn­ten, dann ist auch heu­te noch nicht alles ver­lo­ren, dann kön­nen auch heu­te Min­der­hei­ten unse­re damals for­mu­lier­ten Zie­le erstrei­ten. Unser wider­stän­di­ges Han­deln in der DDR ver­pflich­tet uns, heu­te eben­falls zu wider­ste­hen, wenn wir uns nicht selbst ver­ra­ten wol­len. Ange­sichts des 30sten Wen­de­ge­den­kens gibt es eini­ges ein­zu­ge­ste­hen, sehr viel zu tun und im Ver­hält­nis dazu lei­der nur wenig zu feiern!