Christian Lindner, Schlechtes Regieren – Verehrter Herr Finanzminister, Ihr Satz »Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren«, den wir durchaus unterschreiben würden und mit dem Sie einst (2017) die »Jamaika-Verhandlungen« platzen ließen, war offensichtlich gelogen. Schlechtes (falsches) Regieren ist scheinbar nicht Ihr Problem. Und nun versuchen Sie das eigene Versagen mit einem 12-Punkte-Programm »zur Beschleunigung der Wirtschaftswende« zu kaschieren, das nicht nur nahezu alle der von Ihnen selbst im Koalitionsvertrag mit der SPD und den Grünen mitverhandelten und verbindlich vereinbarten Positionen (etwa bezüglich Bürgergeld, Steuererleichterungen, Rente) wieder einkassiert. (Wir können für Ihre Gattin nur hoffen, dass Sie das Eheversprechen, das Sie ihr kürzlich (2022) auf Sylt gegeben haben, ernster nehmen.) Nein, schlimmer noch: Was Ihre Partei, deren Vorsitzender Sie sind, hier als »Wende« vorschlägt, ist eine Art Retro-Politik, ein Nostalgie-Programm, das in die – ach, so schönen – Kohl’schen Zeiten der schwarz-gelben Koalition zurückführt, deren konservativ-liberales Agieren viele unserer heutigen Probleme maßgeblich mitverursacht hat. Wir empfehlen Ihnen dringend, nicht (mehr) zu regieren, weil der aufmerksamkeitssüchtige Zoff, den Sie hier provozieren, den Politikverdruss der gesamten Wählerschaft weiter anfeuert und sie den rechten Vereinfachern in die Arme treibt. Die Leute sollen alle mehr arbeiten, die Sozialleistungen gekürzt werden, und das dadurch erhoffte »Wachstum« wird, wie bisher, nur der kleinen Gruppe der ohnehin Wohlhabenden zugutekommen, die als »Leistungsträger« entlastet werden sollen, obwohl sie ihren Reichtum selbst in Zeiten der Krise stets vermehrt, gar verdoppelt haben. So betreibt man soziale Spaltung, und über so viel »Volksferne« wird sich allein die AfD die Hände reiben. Mit Ihnen, werter Herr Minister, ist kein Staat – verstanden als »Gemeinwesen« – zu machen. Setzen, fünf!