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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Gehackte Kälber

Neu­lich im Fern­se­hen: »Mei­ne Hand ist wei­ter­hin aus­ge­streckt«, sag­te Björn Höcke zu CDU-Mann Voigt im Rede­du­ell bei WELT-TV. Ja, nach rechts oben. Gemein­sam mit der CDU wol­le er eine »bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ve-patrio­ti­sche Wen­de« voll­brin­gen. Da aber (noch) kei­ne Mil­lio­nen hin­ter ihm ste­hen wie auf der berühm­ten Hit­ler-Kari­ka­tur von John Heart­field, ist noch nicht sicher, ob er die Avan­cen an die CDU von vor­ne oder von hin­ten machen muss. Krei­de gefres­sen hat er im Fern­se­hen schon mal ein wenig, und auch die »Remi­gra­ti­on« umde­fi­niert: Deut­sche Arbei­ter sol­len aus dem Aus­land zurück­ge­holt wer­den. Wäh­rend CDU-Lan­des­vor­sit­zen­der Voigt nur zu bemän­geln hat­te, dass der Wes­si Höcke gar nicht rich­tig thü­rin­gisch spre­chen kön­ne: Er habe »Mett« gesagt statt »Gehack­tes», wie lan­des­üb­lich. Ich den­ke mal, dem Fleisch ist es egal, wie es genannt wird, und nur die aller­dümm­sten Käl­ber wäh­len bekannt­lich ihre Metz­ger sel­ber, von denen sie sich zu Mett machen las­sen bzw. in Thü­rin­gen zu Gehacktem.

Ein neu­es (Alb-)Traumpaar auf inter­na­tio­na­lem Par­kett sind Isra­el und der Iran. Auf der einen Sei­te ein reli­gi­ös-fun­da­men­ta­li­sti­scher Staat, der 3000 Jah­re alte Mär­chen für Kata­ster­ein­trä­ge hält und ungläu­bi­ge Ein­woh­ner als Ter­ro­ri­sten ver­nich­tet, und auf der ande­ren Sei­te der Iran, auf des­sen Ver­nunft zu hof­fen das Ein­zi­ge ist, was einem übrig bleibt. Wäh­rend sich Deutsch­land in eine phi­lo­se­mi­ti­sche Gei­stes­wü­ste ver­wan­delt, in der es poli­zei­lich ver­bo­ten ist, vor dem Reichs­tag auf Hebrä­isch Reden zu hal­ten. Nein, das ist kein Gesetz aus brau­ner Vor­zeit, son­dern eine Mit­te April erlas­se­ne Auf­la­ge der Ber­li­ner Poli­zei nach dem »Ver­samm­lungs­frei­heits­ge­setz« (jW, 23.04.24). Schließ­lich muss die Poli­zei ver­ste­hen kön­nen, was gesagt wird, um anti­se­mi­ti­sche Het­ze ver­fol­gen zu kön­nen. Auch auf Hebrä­isch. Denn wer Jude ist, bestim­men wir! Ja, hat denn die AfD schon die Macht über­nom­men? Muss sie doch gar nicht mehr: In der EU bzw. an ihren Gren­zen herr­schen ja jetzt »ver­bind­li­che Regeln mit Huma­ni­tät und Ord­nung«, wie Außen­mi­ni­ste­rin Anna­le­na Baer­bock (Bünd­nis 90/​Die Grü­nen) auf X schrieb. Schnell­ver­fah­ren der Ableh­nung und Inhaf­tie­rung. Und in der BRD braucht die AfD nur noch mit »Ja« zu stim­men: Die Bezahl­kar­te für Asyl­be­wer­ber z. B. ist ein­ge­führt mit den Stim­men von AfD und BSW. Und gegen jede Ver­nunft. Dage­gen argu­men­tiert sogar die »Gewerk­schaft der Poli­zei«, bestimmt kei­ner Aus­län­der­freund­lich­keit ver­däch­tig. Der GdP-Bun­des­vor­sit­zen­de Jochen Kopel­ke erklär­te: Betrof­fe­ne ste­hen unter dem sozia­len und finan­zi­el­len Druck, ihre Ange­hö­ri­gen im Aus­land zu unter­stüt­zen. Die­se Druck­si­tua­ti­on ver­schwin­de nicht mit der Bezahl­kar­te. Mehr noch: Wird das Über­wei­sen von Geld ver­un­mög­licht, könn­ten unbe­gli­che­ne For­de­run­gen von »Schlep­pern« sich auch auf die Sicher­heit der Ver­wand­ten in den Her­kunfts­län­dern aus­wir­ken. Kopel­ke warn­te expli­zit auch davor, Bar­zah­lun­gen an Asyl­su­chen­de zu gering zu bemes­sen. Dann bestehe das Risi­ko, dass Geflüch­te­te ver­su­chen wer­den, »sich das nöti­ge Geld über kri­mi­nel­le Machen­schaf­ten zu besor­gen« (jW, 13./14.04.24). Ver­bo­te erzeu­gen Kri­mi­na­li­tät, aber auf die wol­len man­che ein­fach nicht ver­zich­ten. Z.B. beim Can­na­bis-Kon­sum. Das ist auf Bahn­hö­fen ver­bo­ten! Und bei Volks­fe­sten auch! Zuwi­der­hand­lung bestraft die Polizei.

Nur nicht bei Steu­er­hin­ter­zie­hung. Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­de viel dar­über berich­tet, wie Cum-ex-Chef­er­mitt­le­rin Anne Bror­hil­ker aus­ge­bremst wird. Nun hat sie hin­ge­schmis­sen. Die Ober­staats­an­wäl­tin habe um ihre Ent­las­sung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis gebe­ten, sag­te ein Spre­cher der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Köln am Mon­tag. Zu den Grün­den äußer­te sich die Behör­de zwar nicht, dafür Bror­hil­ker selbst im WDR: »Ich war immer mit Leib und See­le Staats­an­wäl­tin, gera­de im Bereich von Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät, aber ich bin über­haupt nicht zufrie­den damit, wie in Deutsch­land Finanz­kri­mi­na­li­tät ver­folgt wird. (…) Die Klei­nen hängt man, die Gro­ßen lässt man lau­fen.« Künf­tig will sie Finanz­kri­mi­nel­le als Geschäfts­füh­re­rin der NGO »Finanz­wen­de« jagen. (jW, 23.04.24). Pri­va­ti­sie­rung von behörd­li­chen Auf­ga­ben kann auch so aussehen!

Der Staat hat ja Bes­se­res zu tun: Kriegs­tüch­tig wer­den! Und Arbeits­grup­pen bil­den. Laut SIPRI-Bericht (jW, 23.04.024) ist die BRD, was Rüstungs­aus­ga­ben betrifft, mit 66,8 Mil­lio­nen Dol­lar an sieb­ter Stel­le welt­weit und an drit­ter Stel­le der west­li­chen Staa­ten. Da hat man natür­lich bei ande­ren Auf­ga­ben nur noch die bil­lig­ste Lösung: Arbeits­grup­pen bil­den. So wie es der Staats­se­kre­tär im Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um, Micha­el Kell­ner, macht, wenn der Stadt Ora­ni­en­burg bei Ber­lin der Strom knapp wird. Die »Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten« sei­en »aus­ge­schöpft«, teil­te Peter Gra­bow­sky, Geschäfts­füh­rer der Stadt­wer­ke, am 17.04.24 mit. »Um das Strom­netz in Ora­ni­en­burg wei­ter sta­bil zu hal­ten, kön­nen die Stadt­wer­ke ab sofort kei­ne Neu­an­mel­dun­gen oder Lei­stungs­er­hö­hun­gen von Haus­an­schlüs­sen mehr geneh­mi­gen.« Das betref­fe auch Wär­me­pum­pen, Auto­la­de­säu­len, Gewer­be- und Indu­strie­flä­chen. Das neue Umspann­werk, das das Übel besei­ti­gen soll, wird erst 2026 fer­tig­ge­stellt sein. Aber kei­ne Ban­ge: Das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Wirt­schaft und Umwelt nann­te die Strom­sper­re »inak­zep­ta­bel« und ver­kün­de­te eine Sofort­maß­nah­me: die Grün­dung einer »Arbeits­grup­pe« zur Unter­su­chung des Ärger­nis­ses im Ober­ha­vel­kreis (jW, 18.04.24).

Und dann wun­dert man sich, wenn die Käl­ber sich von ande­ren Metz­gern zu Gehack­tem ver­ar­bei­ten las­sen wollen?