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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Pest oder Cholera

Rund 80 Pro­zent der fos­si­len Ener­gie­trä­ger, die sich jetzt noch unter der Erde befin­den, müs­sen dort ver­blei­ben, wenn die Kli­ma­zie­le, zu denen sich fast alle Regie­run­gen die­ser Welt bekannt haben, erreicht wer­den sol­len. Die Bör­sen und Unter­neh­mens­wert-Ent­wick­lun­gen spie­geln die­se Erkennt­nis aber nicht wider. Nach wie vor inve­stie­ren öffent­li­che Hän­de, Pri­vat­per­so­nen, Lebens­ver­si­che­run­gen, Ban­ken und ande­re Anle­ger vor allem dort, wo jen­seits der Null­zins-Wüste Ren­di­ten win­ken. Das aber sind nach wie vor über­wie­gend Bran­chen, die davon leben, dass wei­ter Roh­stof­fe aus dem Boden geholt und ver­brannt oder mit hohem Ener­gie- und Arbeits­auf­wand in Waren umge­wan­delt wer­den, die sich mit Pro­fit auf den Märk­ten die­ser Welt ver­kau­fen lassen.

Das gilt glo­bal, aber auch regio­nal. Die Nord/​LB hat Ende Novem­ber wie jedes Jahr eine Stu­die über die Ent­wick­lung der größ­ten und wert­schöp­fungs­stärk­sten Unter­neh­men Nie­der­sach­sens vor­ge­legt. Unter den Top Ten der wirt­schafts­stärk­sten Unter­neh­men die­ses Lan­des fin­den sich mit VW, Con­ti und dem Auto­bat­te­rie­un­ter­neh­men John­son Con­trols (Plät­ze eins, zwei und sechs) drei Unter­neh­men der Auto­mo­bil­in­du­strie – mit zusam­men rund 80 Pro­zent der Wert­schöp­fungs­sum­me der 50 größ­ten Unter­neh­men überhaupt.

Zwar schiebt die Mar­ke­ting­ab­tei­lung von VW gegen­wär­tig die For­schungs­in­ve­sti­tio­nen in den Elek­tro­an­trieb nach vor­ne. Aber Tat­sa­che ist: Gegen­wär­tig bedeu­tet indu­stri­el­le Pro­duk­ti­on in Nie­der­sach­sen – wie ver­gleich­bar übri­gens auch in Baden-Würt­tem­berg – vor allem Pro­duk­ti­on von ton­nen­schwe­ren Maschi­nen, mit denen Men­schen und Waren durch Ver­bren­nen von Öl von A nach B gebracht wer­den kön­nen: Kraft­fahr­zeu­ge eben und alles, was gebraucht wird, um sie am Lau­fen zu hal­ten: Rei­fen, Bat­te­rien, Öl.

Wenn es stimmt, dass die Kli­ma­ver­än­de­run­gen men­schen­ge­macht sind und nur eine Redu­zie­rung des CO2-Aus­sto­ßes auf null inner­halb von zwei Jahr­zehn­ten die Kata­stro­phe mit anstei­gen­den Mee­res­spie­geln, Ver­wü­stung bis­her grü­ner Land­stri­che, in denen Hun­der­te von Mil­lio­nen Men­schen leben, noch abwen­den kann, dann haben sol­che Unter­neh­men kei­ne Per­spek­ti­ve mehr.

Kapi­ta­li­stisch orga­ni­siert steu­ert dann die west­li­che Zivi­li­sa­ti­on Monat für Monat, Quar­tal für Quar­tal, in denen sich nichts grund­le­gend ändert, immer gna­den­lo­ser auf eine Wahl zwi­schen Pest und Cho­le­ra zu: Ent­we­der es platzt die Illu­si­on, die Kli­ma­er­hit­zung noch abwen­den zu kön­nen, oder es platzt die gegen­wär­ti­ge Kon­junk­tur­bla­se, weil sich die Ren­di­te­hoff­nun­gen, die VW, Con­ti, John­son Con­trol und ande­re wecken, nicht rea­li­sie­ren las­sen. Viel­leicht platzt auch bei­des zugleich.