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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Gute Presse über Rheinmetall

In der Lüne­bur­ger Hei­de nennt mensch mich einen gewerk­schaft­li­chen und frie­dens­po­li­ti­schen Akti­vi­sten. Immer mal wie­der erhal­te ich Pres­se­an­fra­gen, wenn enga­gier­te Redak­teu­rIn­nen eta­blier­ter Medi­en ihre Bericht­erstat­tung mit kri­ti­schen Ein­schät­zun­gen jen­seits des Main­streams anrei­chern wol­len. So war ich nicht über­rascht, als sich eine Mit­ar­bei­te­rin des han­no­ver­schen Able­gers des in Nord- und Ost­deutsch­land publi­zi­stisch domi­nan­ten Mad­sack-Kon­zerns (Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land) sich bei mir anläss­lich der for­cier­ten deut­schen Auf­rü­stung nach Infor­ma­tio­nen und Ein­schät­zun­gen zum Rhein­me­tall­kon­zern erkun­dig­te, der in Unter­lüß im Kreis Cel­le eine Rüstungs­pro­duk­ti­on mit 2000 Beschäf­tig­ten und einem gro­ßen Waf­fen­test­ge­län­de betreibt, den größ­ten pri­va­ten Schieß­platz Europas.

Ich ver­sorg­te die Jour­na­li­stin mit viel­fäl­ti­gen Infor­ma­tio­nen über Rhein­me­tall und den Wider­stand der Frie­dens­be­we­gung, mit Kon­takt­adres­sen und Inter­net-Links über das bun­des­wei­te Bünd­nis »Rhein­me­tall ent­waff­nen«, das seit meh­re­ren Jah­ren nicht nur in Unter­lüß mit Pro­test­camps, Dis­kus­sio­nen, Demon­stra­tio­nen und Blocka­den gegen Rhein­me­talls Geschäft mit dem Tod mobi­li­siert. Ich infor­mier­te sie über die »Frie­dens­ak­ti­on Lüne­bur­ger Hei­de«, die in der Regi­on seit gut zwei Jah­ren mit Mahn­wa­chen, Demon­stra­tio­nen und Kund­ge­bun­gen dar­auf auf­merk­sam macht, dass die Hei­de die am stärk­sten mili­ta­ri­sier­te Regi­on Deutsch­lands ist, und die dafür wirbt, den einst von den Nazis gegen loka­len Wider­stand durch­ge­setz­ten Trup­pen­übungs­platz zwi­schen Ber­gen und Bad Fal­ling­bo­stel in ein öko­lo­gisch und zivil­wirt­schaft­lich attrak­ti­ves Bio­sphä­ren­re­ser­vat umzuwandeln.

»Pumas aus der Hei­de« – als der Arti­kel am 6. April in der Han­no­ver­schen All­ge­mei­nen Zei­tung (HAZ) mit einem mar­tia­li­schen Foto des von Rhein­me­tall ver­trie­be­nen Schüt­zen­pan­zers »Puma« erschien, war ich nach anfäng­li­cher Freu­de – der Bericht füll­te immer­hin eine gan­ze Zei­tungs­sei­te – ent­täuscht und des­il­lu­sio­niert über des­sen Infor­ma­ti­ons­ge­halt. Das Bünd­nis »Rhein­me­tall ent­waff­nen« wird in dem lan­gen Arti­kel über­haupt nicht erwähnt. Anti­mi­li­ta­ri­sti­sche Kri­tik an Rhein­me­tall wird nur kurz benannt, aber dass dahin­ter ein brei­tes Bünd­nis mit viel Recher­che und stän­di­gem Ein­satz steckt, davon erfah­ren HAZ-Lesen­de nichts.

Dafür wird in einem klei­nen Zusatz­ar­ti­kel aus Bre­men, über­schrie­ben mit »Rhein­me­tall-Gebäu­de mit Flüs­sig­keit bewor­fen«, auf radi­ka­le Rhein­me­tall-Geg­ne­rIn­nen hin­ge­wie­sen. Aus der Rhein­me­tall-Geg­ner­schaft wer­de ein­zig ich mit einem Kon­ver­si­ons­vor­schlag zitiert: »Statt Kriegs­wa­re könn­ten die hoch­qua­li­fi­zier­ten Rhein­me­tall-Beschäf­tig­ten in Unter­lüß High-Tech-Gerä­te fürs Gesund­heits­we­sen und erneu­er­ba­re Ener­gie ent­wickeln und pro­du­zie­ren.« Und dann wird plus Foto noch ein kirch­lich enga­gier­tes Paar als mode­rat und »nicht-kon­fron­ta­tiv« und »kri­tisch, aber kon­struk­tiv« vor­ge­stellt. Dass damit die Hal­tung zu Rhein­me­tall gemeint ist, kann erahnt wer­den, denn das Foto mit dem Paar in der Kir­che zeigt sie mit einem Kreuz aus Geschoss­hül­sen, und die Kir­che in Unter­lüß heißt »Frie­dens­kir­che«.

Am Ende der HAZ-Sei­te geht es um die Erin­ne­rung an Zwangs­ar­beit bei Rhein­me­tall. Dass für die­se Erin­ne­rungs­ar­beit in Unter­lüß das Bünd­nis »Rhein­me­tall ent­waff­nen« die ent­schei­den­den Impul­se gesetzt hat, erfah­ren die HAZ-Lese­rIn­nen nicht.

An ande­rer Stel­le (im Zusam­men­hang mit mir) wird im Arti­kel her­vor­ge­ho­ben, dass kei­ne Mit­glie­der der »Frie­dens­ak­ti­on Lüne­bur­ger Hei­de« in Unter­lüß woh­nen. Aus­führ­lich zu Wort kom­men der Bür­ger­mei­ster von Unter­lüß und ehe­ma­li­ge Rhein­me­tall­be­schäf­tig­te, die die angeb­li­che Sinn­haf­tig­keit der Rüstungs­pro­duk­ti­on schön­re­den. Her­vor­ge­ho­ben wird auch, dass die deut­sche Auf­rü­stung in Unter­lüß neue Arbeits­plät­ze schaf­fen wer­de, dass Rhein­me­tall Werks­woh­nun­gen gebaut hat und ört­li­che Ver­ei­ne sponsert.

Wo bleibt das Posi­ti­ve? Mein Fazit fällt beschei­den aus: Immer­hin erfah­ren die Leser der vie­len Mad­sack-Kon­zern­blät­ter, dass ver­steckt in einem Kie­fern­wald der Lüne­bur­ger Hei­de ein gro­ßer Rüstungs­kon­zern Mord­ge­rä­te und Geschos­se für die Schlacht­fel­der die­ser Welt baut, dass des­sen Aktio­nä­re sich über den kräf­tig gestie­ge­nen Akti­en­kurs freu­en dür­fen und dass Wöl­fe und Birk­hüh­ner sich vom Schieß­lärm nicht erschrecken las­sen. Die Geg­ner die­ser »beu­te­gie­ri­gen Can­nail­le«, »die auf Krieg spe­ku­liert« (Carl von Ossietzky) aber müs­sen wohl komi­sche Leu­te von ganz woan­ders sein, und die sind unge­ho­belt radi­kal in ihren For­de­run­gen und ihrem Ver­hal­ten. Vor Ort dage­gen weiß der Kon­zern­be­richt nur lau­ter Posi­ti­ves über Rhein­me­tall zu berich­ten.                    

Der Autor ist DGB-Vor­sit­zen­der im Heidekreis