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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Eine Ergänzung zur Birne vom Phönix-See

Im Dort­mun­der Phö­nix-See steht ein Denk­mal zu Ehren eines kapi­ta­li­sti­schen Pro­duk­ti­ons­mit­tels: die Tho­mas­bir­ne aus der Stahl­pro­duk­ti­on, die hier jahr­zehn­te­lang ihren Platz hat­te, bevor das Are­al geflu­tet wur­de. Dane­ben wird es – wenn alles gut geht – bald ein wei­te­res Denk­mal geben: das Denk­mal für die Pro­du­zen­ten. Die arbei­ten­den Pro­du­zen­ten nut­zen die Pro­duk­ti­ons­mit­tel, schreibt Karl Marx, und es arbei­ten die Pro­du­zen­ten eine bestimm­te Zeit des Arbeits­ta­ges für sich und den Rest des Arbeits­ta­ges für den Kapi­ta­li­sten. Dies ist die kapi­ta­li­sti­sche Pro­duk­ti­on des Mehr­werts und des Pro­fits. Die Arbei­ter schaf­fen alle Wer­te, die Nutz­wer­te und den Mehr­wert, über den sie nicht ver­fü­gen kön­nen. In der Zeit der Nazi­dik­ta­tur wur­de nicht nur die Tho­mas­bir­ne als Kon­ver­ter ein­ge­setzt, mit der die Arbei­ter pro­du­zier­ten. Es wur­den auch sol­che Arbei­ter ein­ge­setzt, die kei­nen oder kaum einen Zeit­ab­schnitt des Tages für sich arbei­te­ten: die Zwangs­ar­bei­ter. Sie schuf­te­ten fast nur für den Pro­fit. Neben der Tho­mas­bir­ne soll nun ein Denk­mal für die­se Arbei­ter ent­ste­hen, für jene, die gleich Skla­ven gehal­ten wurden.

Der 28. März im Dort­mun­der Rat­haus war ein guter Tag. Nicht nur, weil vom Stadt­rat ein Beschluss zur Soli­da­ri­tät mit der Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes (VVN-BdA) ange­nom­men wur­de – davon spä­ter mehr –, son­dern auch, weil end­lich der Weg zum Bau der Gedenk­stät­te für die Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter der Stahl­in­du­strie frei gemacht wur­de. Auf der Insel mit der Tho­mas­bir­ne soll nun end­lich das Mahn­mal geschaf­fen wer­den. Einen ersten Antrag für die Gedenk­stät­te stell­te die VVN-BdA im Jahr 2002. Die Beharr­lich­keit der VVN-Akti­ven und die von Lin­ken, Kom­mu­ni­sten und SPD-Mit­glie­dern führt wohl nun zum Erfolg. Die brau­nen, blau­en und schwar­zen Stei­ne, die von Nazis, AfD und CDU inner- und außer­halb von Par­la­men­ten der Zwangs­ar­bei­ter­eh­rung und anti­fa­schi­sti­sche Erin­ne­rungs­ar­beit in den Weg gelegt wur­den, sie wer­den nun offen­bar weggeräumt.

Wenn in der Debat­te zum VVN-Soli­da­ri­täts­an­trag auch immer wie­der auf die Erin­ne­rungs­ar­beit der VVN hin­ge­wie­sen wur­de, in deren Licht das Vor­ge­hen gegen die Gemein­nüt­zig­keit der VVN so absurd erscheint, so hat dies auch mit dem Rin­gen um die Zwangs­ar­bei­ter­eh­rung zu tun.

Mit 58 zu 32 Stim­men beschloss der Rat eine Reso­lu­ti­on, in der es unter ande­rem heißt: Wie zu erfah­ren war, »soll der Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Naziregimes/​Bund der Anti­fa­schi­sten (VVN-BdA) die Gemein­nüt­zig­keit ent­zo­gen wer­den. Damit wird die Orga­ni­sa­ti­on mit­tels der mas­si­ven Beschrän­kung ihrer finan­zi­el­len Mit­tel in ihren Wir­kungs­mög­lich­kei­ten behin­dert. Über­dies erlei­den das öffent­li­che Bild der VVN-BdA und die der Orga­ni­sa­ti­on ent­ge­gen­ge­brach­te Wert­schät­zung Scha­den.« Die Über­le­ben­den wie auch Men­schen jün­ge­rer Jahr­gän­ge der VVN-BdA sicher­ten das Bewah­ren und Wei­ter­ge­ben der schreck­li­chen Erfah­run­gen. Wört­lich heißt es wei­ter: »Der Rat der Stadt Dort­mund legt größ­ten Wert dar­auf, dass die Zeit der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Schreckens­herr­schaft Teil eines kol­lek­ti­ven gesell­schaft­li­chen Gedächt­nis­ses bleibt. Er hat kei­ner­lei Ver­ständ­nis für eine Maß­nah­me, die die demo­kra­ti­sche und huma­ne Erin­ne­rungs­kul­tur unse­rer Stadt beschädigt.«

Mit dem kon­zer­tier­ten, offen­bar regie­rungs­ge­stütz­ten Vor­ge­hen der nord­rhein-west­fä­li­schen Finanz­äm­ter ist offen­bar die Absicht von CDU und FDP in Nord­rhein-West­fa­len ver­bun­den, die baye­ri­schen Ver­hält­nis­se zu top­pen, denn nicht ein­mal dort wur­de der VVN-BdA der Sta­tus der Gemein­nüt­zig­keit ver­wei­gert, son­dern »ledig­lich« ihr Ein­trag in den Lan­des­ver­fas­sungs­schutz­be­richt vor­ge­nom­men. In Nord­rhein-West­fa­len soll nun unter Bezug­nah­me auf den baye­ri­schen Bericht – nicht auf den nord­rhein-west­fä­li­schen, denn dort steht die VVN-BdA nicht drin – die Gemein­nüt­zig­keit der VVN-BdA ange­ta­stet wer­den. In einer Stel­lung­nah­me der VVN-BdA hieß es: »Dass der Rat der Stadt Dort­mund mit gro­ßer Mehr­heit die­ses Vor­ge­hen der Lan­des­re­gie­rung ver­ur­teilt, ist als Aus­druck einer festen anti­fa­schi­sti­schen und demo­kra­ti­schen Posi­ti­on zu wer­ten, die hof­fent­lich im gan­zen Land wie­der rechts­staat­li­ches Gemein­gut wird.«

Der nord­rhein-west­fä­li­sche Innen­mi­ni­ster Her­bert Reul (CDU) kün­dig­te bereits Ende 2018 in der Süd­deut­schen Zei­tung an, mit sei­nem Inlands­ge­heim­dienst den »anti­ka­pi­ta­li­sti­schen« Kräf­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten. Dazu zählt er auch die VVN. Doch die VVN-BdA sieht die Besei­ti­gung des Kapi­ta­lis­mus – den die CDU-Füh­rung fälsch­lich mit Demo­kra­tie gleich­setzt – nicht als Vor­aus­set­zung für das Ver­hin­dern des Faschis­mus an. Der Kapi­ta­lis­mus muss nicht zum Faschis­mus füh­ren, aber bei uns ist es gesche­hen, und es kann wie­der gesche­hen. Das war die Erkennt­nis aller Demo­kra­tin­nen und Demo­kra­ten nach 1945. Des­halb schwo­ren die Häft­lin­ge des KZ Buchen­wald im April 1945 nach ihrer Befrei­ung: »Die Ver­nich­tung des Nazis­mus mit sei­nen Wur­zeln ist unse­re Losung. Der Auf­bau einer neu­en Welt des Frie­dens und der Frei­heit ist unser Ziel.« Heu­ti­ge Innen­mi­ni­ster sehen den Hin­weis auf die Wur­zeln, die zu besei­ti­gen sei­en, als Absicht an, die Demo­kra­tie zu besei­ti­gen. Dar­auf muss man erst ein­mal kommen!

Das erste Par­tei­pro­gramm der CDU, das Ahle­ner Pro­gramm vom 3. Febru­ar 1947, besag­te in sei­ner Kern­aus­sa­ge: »Das kapi­ta­li­sti­sche Wirt­schafts­sy­stem ist den staat­li­chen und sozia­len Lebens­in­ter­es­sen des deut­schen Vol­kes nicht gerecht gewor­den. Nach dem furcht­ba­ren poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und sozia­len Zusam­men­bruch als Fol­ge einer ver­bre­che­ri­schen Macht­po­li­tik kann nur eine Neu­ord­nung von Grund auf erfol­gen. Inhalt und Ziel die­ser sozia­len und wirt­schaft­li­chen Neu­ord­nung kann nicht mehr das kapi­ta­li­sti­sche Gewinn- und Macht­stre­ben, son­dern nur das Wohl­erge­hen unse­res Vol­kes sein.« Das Ahle­ner CDU-Pro­gramm soll­te wie­der mehr ins Bewusst­sein gerückt werden.