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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Sie hatte einst ein Haus in Afrika

Zwölf Jah­re war Isa­be­la Figuei­re­do alt, als sie 1975 von ihren Eltern in ein Flug­zeug gesetzt wur­de, das sie aus ihrem Hei­mat­land Mosam­bik in die Frem­de brach­te: zu Ver­wand­ten in die tief­ste por­tu­gie­si­sche Pro­vinz. Weg aus Lou­ren­ço Mar­ques, heu­te: Mapu­to, der von Auf­stän­den der schwar­zen Bevöl­ke­rung und dem lan­des­wei­ten Gue­ril­la­krieg unter der Füh­rung der Befrei­ungs­front FRELIMO erschüt­ter­ten Haupt­stadt, in der sie 1963 gebo­ren wor­den war. Die Eltern wird sie erst zehn Jah­re spä­ter sehen, inzwi­schen zu einer poli­tisch links ein­ge­stell­ten jun­gen Frau geworden.

Was sie in den Jah­ren davor erleb­te, wie sie auf­wuchs als wei­ßes Kind in enger Nach­bar­schaft zu den Schwar­zen, von allen Wei­ßen nur Nege­rin­nen und Neger genannt, was damals um sie her­um geschah, das alles hat sie erst im Nach­hin­ein ver­stan­den, rea­li­siert, reflektiert.

Ihre Erin­ne­run­gen an die Kind­heit im Mosam­bik der por­tu­gie­si­schen Kolo­ni­al­herr­schaft, die nach fast 500 Jah­ren mit der Nel­ken­re­vo­lu­ti­on in Por­tu­gal 1975 ende­te, konn­ten erst 2009 als Buch erschei­nen, nach dem Tod des domi­nan­ten, abgöt­tisch ver­ehr­ten Macho-Vaters. Der auto­bio­gra­fi­sche Bericht stieß auf hef­ti­ge Pro­te­ste der mit nahe­zu lee­ren Hän­den aus Mosam­bik zurück­ge­kehr­ten »retor­na­dos«, die das Wort Kolo­nia­list noch nicht ein­mal buch­sta­bie­ren woll­ten. Das Buch räum­te radi­kal mit der Legen­de einer »sanf­ten« por­tu­gie­si­schen Herr­schaft auf, schil­der­te den all­täg­li­chen Ras­sis­mus, die nie hin­ter­frag­te men­schen­ver­ach­ten­de Aus­beu­tung und ver­mit­tel­te einen unge­schön­ten Blick auf den blu­ti­gen Kolo­ni­al­krieg in dem am Indi­schen Oze­an gele­ge­nen lang­ge­streck­ten Land mit Gren­zen zu Süd­afri­ka, Sim­bab­we, Sam­bia, Mala­wi und Tan­sa­nia. Der Exo-dus fast aller por­tu­gie­si­schen Fach­kräf­te und Sied­ler nach 1975 war einer der Grün­de für den bal­di­gen Nie­der­gang der Wirt­schafts­kraft in dem gera­de unab­hän­gig gewor­de­nen Staat.

Sel­ten wur­de der in den 1970er Jah­ren geführ­te poli­tisch-theo­re­ti­sche Dis­kurs um das Öffent­li­che und das Pri­va­te – kul­mi­nie­rend in dem Spon­ti-Spruch »Das Pri­va­te ist poli­tisch und das Poli­ti­sche pri­vat« – so mit erleb­tem Inhalt gefüllt wie in die­sem Buch. Dies alles fern­ab des feu­da­len Glan­zes der »dun­kel locken­den Welt Afri­ka«, wie sie Tania Bli­xen in ihren Memoi­ren beschreibt.

Figuei­re­do hat­te zwar nicht, wie Bli­xen, »eine Farm in Afri­ka«, aber ihre Eltern – der Vater war ein viel beschäf­tig­ter Elek­tri­ker – hat­ten ein Haus und Woh­nun­gen in Lou­ren­ço Mar­ques. Auf ihrer Lese­rei­se durch sechs deut­sche Städ­te mach­te sie auch in Ham­burg Sta­ti­on, in der Buch­hand­lung Lese­saal. Dabei berich­te­te sie, dass sie vor drei Jah­ren noch ein­mal Mapu­to besucht habe. Ihr Haus ste­he noch, aber sie habe gespürt, habe erken­nen müs­sen, es sei nicht mehr ihr Haus und Mosam­bik nicht mehr ihre Heimat.

Isa­be­la Figuei­re­do: »Roter Staub. Mosam­bik am Ende der Kolo­ni­al­zeit«, aus dem Por­tu­gie­si­schen von Mar­kus Sahr, Nach­wort von Sophie Sum­bu­ra­ne, Weid­le Ver­lag, 170 Sei­ten, 23 €