Zwölf Jahre war Isabela Figueiredo alt, als sie 1975 von ihren Eltern in ein Flugzeug gesetzt wurde, das sie aus ihrem Heimatland Mosambik in die Fremde brachte: zu Verwandten in die tiefste portugiesische Provinz. Weg aus Lourenço Marques, heute: Maputo, der von Aufständen der schwarzen Bevölkerung und dem landesweiten Guerillakrieg unter der Führung der Befreiungsfront FRELIMO erschütterten Hauptstadt, in der sie 1963 geboren worden war. Die Eltern wird sie erst zehn Jahre später sehen, inzwischen zu einer politisch links eingestellten jungen Frau geworden.
Was sie in den Jahren davor erlebte, wie sie aufwuchs als weißes Kind in enger Nachbarschaft zu den Schwarzen, von allen Weißen nur Negerinnen und Neger genannt, was damals um sie herum geschah, das alles hat sie erst im Nachhinein verstanden, realisiert, reflektiert.
Ihre Erinnerungen an die Kindheit im Mosambik der portugiesischen Kolonialherrschaft, die nach fast 500 Jahren mit der Nelkenrevolution in Portugal 1975 endete, konnten erst 2009 als Buch erscheinen, nach dem Tod des dominanten, abgöttisch verehrten Macho-Vaters. Der autobiografische Bericht stieß auf heftige Proteste der mit nahezu leeren Händen aus Mosambik zurückgekehrten »retornados«, die das Wort Kolonialist noch nicht einmal buchstabieren wollten. Das Buch räumte radikal mit der Legende einer »sanften« portugiesischen Herrschaft auf, schilderte den alltäglichen Rassismus, die nie hinterfragte menschenverachtende Ausbeutung und vermittelte einen ungeschönten Blick auf den blutigen Kolonialkrieg in dem am Indischen Ozean gelegenen langgestreckten Land mit Grenzen zu Südafrika, Simbabwe, Sambia, Malawi und Tansania. Der Exo-dus fast aller portugiesischen Fachkräfte und Siedler nach 1975 war einer der Gründe für den baldigen Niedergang der Wirtschaftskraft in dem gerade unabhängig gewordenen Staat.
Selten wurde der in den 1970er Jahren geführte politisch-theoretische Diskurs um das Öffentliche und das Private – kulminierend in dem Sponti-Spruch »Das Private ist politisch und das Politische privat« – so mit erlebtem Inhalt gefüllt wie in diesem Buch. Dies alles fernab des feudalen Glanzes der »dunkel lockenden Welt Afrika«, wie sie Tania Blixen in ihren Memoiren beschreibt.
Figueiredo hatte zwar nicht, wie Blixen, »eine Farm in Afrika«, aber ihre Eltern – der Vater war ein viel beschäftigter Elektriker – hatten ein Haus und Wohnungen in Lourenço Marques. Auf ihrer Lesereise durch sechs deutsche Städte machte sie auch in Hamburg Station, in der Buchhandlung Lesesaal. Dabei berichtete sie, dass sie vor drei Jahren noch einmal Maputo besucht habe. Ihr Haus stehe noch, aber sie habe gespürt, habe erkennen müssen, es sei nicht mehr ihr Haus und Mosambik nicht mehr ihre Heimat.
Isabela Figueiredo: »Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit«, aus dem Portugiesischen von Markus Sahr, Nachwort von Sophie Sumburane, Weidle Verlag, 170 Seiten, 23 €