Der freie Journalist Christoph Lixenfeld schreibt seit fast zwei Jahrzehnten über eine Dienstleistung, die viele von uns eines Tages mehr oder weniger umfangreich benötigen: die Altenpflege. Sein gerade erschienenes Taschenbuch lässt bereits im Titel keinen Zweifel daran, dass die im Kern menschenverachtenden Zustände in den deutschen Landen ausgerechnet mit einem System zu tun haben, das Sicherheit verspricht: »Schafft die Pflegeversicherung ab!« Lixenfeld legt mit seiner umfassenden Studie nicht nur eine durchdringende Bestandsaufnahme und Analyse des zugunsten privater Profite politisch immer undurchsichtiger und inzwischen nachgerade absurd komplex gestalteten deutschen Pflegesystems vor – er ermöglicht durch den Einbezug vor allem skandinavischer Praxen auch das Kennenlernen entschieden besserer Systeme. »In Dänemarks Altenpflege«, verdeutlicht der Autor, »stehen die Menschen, ihre Bedürfnisse und ihre Lebensqualität im Mittelpunkt aller Bemühungen. Und für diese Bemühungen ist ein einzelner Akteur zuständig: die Kommune. In Deutschland steht das Geld im Mittelpunkt, und Akteure gibt es viele.« Nun verdienen in der Bundesrepublik Investoren und Heimbetreiber schon deshalb besonders gut, weil sie die Pflegebedürftigen gezielt zeitsparend abfertigen lassen; zudem betrügen laut Bundeskriminalamt »bandenmäßig« tätige ambulante Pflegedienste, Ärzte, Apotheker und Sanitätshäuser unsere Sozialsysteme seit Jahren um mindestens zwei Milliarden Euro jährlich.
Christoph Lixenfeld weiß nur zu gut: »Die Politik verdrängt seit Jahrzehnten die systemimmanente Vernachlässigung in vielen Pflegeheimen, weil sie sich nur mit radikalen Maßnahmen abstellen ließe. Diese Maßnahmen zu ergreifen, dazu fehlt der Mut.« Was Wunder, dass der Experte dafür plädiert, die Pflege nach Maßgabe etwa des dänischen Systems »zu einer zentralen, steuerfinanzierten Infrastrukturaufgabe des Staates« zu machen. Die Gründe, die er dafür in unser Blickfeld rückt, lohnen unbedingt die Lektüre dieser überzeugenden Studie.
Christoph Lixenfeld: »Schafft die Pflegeversicherung ab! Warum wir einen Neustart brauchen«, Rowohlt Verlag, 224 Seiten, 12 €