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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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So gar nicht pfleglich

Der freie Jour­na­list Chri­stoph Lixen­feld schreibt seit fast zwei Jahr­zehn­ten über eine Dienst­lei­stung, die vie­le von uns eines Tages mehr oder weni­ger umfang­reich benö­ti­gen: die Alten­pfle­ge. Sein gera­de erschie­ne­nes Taschen­buch lässt bereits im Titel kei­nen Zwei­fel dar­an, dass die im Kern men­schen­ver­ach­ten­den Zustän­de in den deut­schen Lan­den aus­ge­rech­net mit einem System zu tun haben, das Sicher­heit ver­spricht: »Schafft die Pfle­ge­ver­si­che­rung ab!« Lixen­feld legt mit sei­ner umfas­sen­den Stu­die nicht nur eine durch­drin­gen­de Bestands­auf­nah­me und Ana­ly­se des zugun­sten pri­va­ter Pro­fi­te poli­tisch immer undurch­sich­ti­ger und inzwi­schen nach­ge­ra­de absurd kom­plex gestal­te­ten deut­schen Pfle­ge­sy­stems vor – er ermög­licht durch den Ein­be­zug vor allem skan­di­na­vi­scher Pra­xen auch das Ken­nen­ler­nen ent­schie­den bes­se­rer Syste­me. »In Däne­marks Alten­pfle­ge«, ver­deut­licht der Autor, »ste­hen die Men­schen, ihre Bedürf­nis­se und ihre Lebens­qua­li­tät im Mit­tel­punkt aller Bemü­hun­gen. Und für die­se Bemü­hun­gen ist ein ein­zel­ner Akteur zustän­dig: die Kom­mu­ne. In Deutsch­land steht das Geld im Mit­tel­punkt, und Akteu­re gibt es vie­le.« Nun ver­die­nen in der Bun­des­re­pu­blik Inve­sto­ren und Heim­be­trei­ber schon des­halb beson­ders gut, weil sie die Pfle­ge­be­dürf­ti­gen gezielt zeit­spa­rend abfer­ti­gen las­sen; zudem betrü­gen laut Bun­des­kri­mi­nal­amt »ban­den­mä­ßig« täti­ge ambu­lan­te Pfle­ge­dien­ste, Ärz­te, Apo­the­ker und Sani­täts­häu­ser unse­re Sozi­al­sy­ste­me seit Jah­ren um min­de­stens zwei Mil­li­ar­den Euro jährlich.

Chri­stoph Lixen­feld weiß nur zu gut: »Die Poli­tik ver­drängt seit Jahr­zehn­ten die system­im­ma­nen­te Ver­nach­läs­si­gung in vie­len Pfle­ge­hei­men, weil sie sich nur mit radi­ka­len Maß­nah­men abstel­len lie­ße. Die­se Maß­nah­men zu ergrei­fen, dazu fehlt der Mut.« Was Wun­der, dass der Exper­te dafür plä­diert, die Pfle­ge nach Maß­ga­be etwa des däni­schen Systems »zu einer zen­tra­len, steu­er­fi­nan­zier­ten Infra­struk­tur­auf­ga­be des Staa­tes« zu machen. Die Grün­de, die er dafür in unser Blick­feld rückt, loh­nen unbe­dingt die Lek­tü­re die­ser über­zeu­gen­den Studie.

Chri­stoph Lixen­feld: »Schafft die Pfle­ge­ver­si­che­rung ab! War­um wir einen Neu­start brau­chen«, Rowohlt Ver­lag, 224 Sei­ten, 12 €