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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schauplätze des Malers Jost Heyder

Leben­di­ge Male­rei ent­steht, wenn aus der Stim­mung Farb­spu­ren gebo­ren wer­den, spon­ta­ne Gebil­de, aus denen sich Farb­span­nun­gen und Struk­tu­ren von Pin­sel­spu­ren ent­wickeln. Die­se erfah­ren in Har­mo­nien und Dis­so­nan­zen eine Ver­dich­tung, oft eine Kon­kre­ti­sie­rung ins Motiv­li­che mit kör­per­haft räum­li­cher Aus­prä­gung. Die­se Vor­ge­hens­wei­se lässt einen wei­ten Spiel­raum zur indi­vi­du­el­len Ent­fal­tung zu, wie Jost Heyder mit sei­ner Kunst im Gotha­er Kunst­fo­rum zeigt.

Der 1954 in Gera gebo­re­ne, in Erfurt leben­de und im Arn­städ­ter Ate­lier arbei­ten­de Künst­ler, stu­dier­te an der Hoch­schu­le für Gra­fik und Buch­kunst Leip­zig bei Bern­hard Hei­sig, bei dem er diplo­mier­te, und bei Arnold Rink. Mei­ster­schü­ler­zei­ten bei Ger­hard Kett­ner in Dres­den und bei Wie­land För­ster an der Aka­de­mie der Kün­ste zu Ber­lin deu­ten auf sein Inter­es­se an gei­sti­gem Aus­tausch, an Erwei­te­rung und Ver­tie­fung der eige­nen künst­le­ri­schen Iden­ti­tät. Heyder zählt zu den arri­vier­ten bil­den­den Künst­lern Thü­rin­gens, sein Name drang mit dem Papst­ge­schenk der Lan­des­re­gie­rung bis nach Rom.

In sei­ner Aus­stel­lung »Schau­plät­ze«, von der KulT­our­Stadt Gotha und dem Ver­band Bil­den­der Künst­ler Thü­rin­gens aus­ge­rich­tet und kura­tiert von Ange­li­ka Stein­metz Oppel­land, begrüßt uns Heyder im Erd­ge­schoss mit dem »Bild­nis Johan­na Röhl«, 2013, eine bekann­te Dol­met­sche­rin und Leh­re­rin, vom Ober­bür­ger­mei­ster Knut Kreuch als »päd­ago­gi­sche Instanz Gothas« gewür­digt, eben­so des Künst­lers Schwie­ger­mut­ter, der ihr weit­blicken­des, klu­ges Ant­litz lie­be­voll und por­trät­nah erfasst hat. Eine Rei­he von Por­träts, Koh­le- und Blei­stift­zeich­nun­gen belegt Heyder als ana­ly­tisch Sehen­den, der das Cha­rak­te­ri­sti­sche der Por­trä­tier­ten mit siche­rem Blick und genau­er Hand trifft, inspi­riert von der gei­sti­gen und see­li­schen Leben­dig­keit der Por­trä­tier­ten und ihrer per­sön­li­chen Eigen­art. Vor allem befreun­de­te Men­schen zeich­net er, wie »Mela­nie«, »Mar­ti­na« und »Gün­ter Hem­pel« und schon 1988 sei­nen kran­ken Vater, der ihm, künst­le­risch ver­an­lagt, sein Talent in die Wie­ge gelegt hat. Der begab­te Por­trä­tist beweist sich bei bedeu­ten­den Leu­ten, wie Ste­phan Heyms (Ver­such III, 2009), des­sen hohe Auf­merk­sam­keit in der Pro­fil­dar­stel­lung noch gestei­gert wird. Als eine Refe­renz auf den Rea­lis­mus kann das nach einem Foto gemal­te Bild­nis des auf­merk­sam zeich­nen­den Adolph von Men­zel, 2018, ver­stan­den wer­den, des­sen Bild­nis in das Gen­re-Fach hin­über­wech­selt wie auch das von Johann Seba­sti­an Bach, der von der Inspi­ra­ti­on nach oben geris­sen wird.

Den hin­ge­bungs­voll malen­den Künst­ler sieht man oft mit Akt­mo­del­len. In der »Ate­lier­stun­de«, ein Acryl­bild von 2018, »ereilt den Maler«, wie Ange­li­ka Stein­metz Oppel­land im Kata­log schreibt, »die Inspi­ra­ti­on« und stei­gen die Model­le vom Leben ins Bild.

Als ein Schü­ler von Bern­hard Hei­sig bekennt sich Jost Heyder zu des­sen Kunst. Bei ihm hat er gelernt, mit expres­siv gesetz­ten Farb­flecken die Bild­ge­gen­stän­de zu for­men, Bild­si­gna­le, »opti­sche Ansprin­ger« (Hei­sig), zu fin­den und das Bild­gan­ze zu orche­strie­ren, dass sinn­li­che Pracht ent­fal­tet und den Augen ein Fest berei­tet wird. Aber dass er sich in dem Tri­pty­chon »Bern­hard, Hen­ri und ich«, 2018, auch auf Hen­ri Matis­se (1869 – 1954) zu bezie­hen weiß, kommt über­ra­schend. Die mei­sten, auch ich, sehen bei Heyder den spä­ten Corinth, doch vor allem Max Beck­mann als Vor­bil­der. Des­sen Ein­fluss auch über sei­nen Leh­rer zu Heyder gelang­te. Von der »Magie der Rea­li­tät« (Max Beck­mann) ange­zo­gen, taucht die­se in Kunst­ge­stal­ten ver­wan­delt in sei­ner Bild­welt auf, ähn­li­che Moti­ve, wie Boo­te und gro­ße Fische, fin­den sich auch bei Heyder.

Nun preist er im Gotha­er Kunst­fo­rum freund­schaft­lich sei­ne Vor­bil­der Hei­sig und Matis­se gemein­sam. Es ist eine küh­ne Rei­he, in die sich Heyder begibt. Die rech­te Bild­ta­fel »Hen­ri« (der Kata­log zeigt sie fälsch­lich links) trifft das Para­do­xe der Male­rei Matis­ses, der als gegen­ständ­li­cher Maler die Gegen­stän­de auf­löst und die Mit­tel immer mehr ver­ein­facht (Jean-Lou­is Fer­ri­er). Eine weib­li­che Kunst­ge­stalt von Matis­se zeigt das als Bild im Bild. Das Ara­bes­ke und das Orna­men­tal-Deko­ra­ti­ve in der Male­rei von Matis­se stammt vom Ein­fluss sei­nes Leh­rers Gust­ave Moreau und von den Ori­en­ta­len aus Marok­ko. »Bern­hard« ist die lin­ke Bild­ta­fel, denn mit dem Anschnitt sei­ner Schul­ter wird fast das mitt­le­re Bild des Tri­pty­chons berührt und wen­det sich Hei­sig dem Künst­ler­freund Heyder zu. Das Mit­tel­stück »Ich« zeigt aber kein Selbst­por­trät Heyders, son­dern alle­go­ri­sche Moti­ve der Kunst Heyders in nuce, also in knap­per und kom­pri­mier­ter Form: einen tän­ze­ri­scher Geni­us, einen lie­gen­den weib­li­chen Akt und einen Fisch. Ein Schau­kel­pferd und das ange­häng­te Lehr­stück eines Hai­fi­sches deu­ten auf die Schul­stu­be des Künst­lers. Der steigt als arbeits­lu­sti­ger Gesel­le aus der Nuss­scha­le der Unter­richts­stun­den mit Farb­ei­mer und einem zum Zau­ber­zep­ter ver­wan­del­ten Mal­stock aus Stab und Kugel.

Man­chen Bil­dern Jost Heyders könn­te man anse­hen, dass sein Herz, vor einem Hei­sig, Matis­se oder auch Kokosch­ka, wie er sag­te, »zu hüp­fen anfängt«. Vor­bil­der eröff­nen gestal­te­ri­sche Mög­lich­kei­ten, bie­ten Schau­plät­ze, auf denen sich die Künst­ler nie­der­las­sen kön­nen. Sie bege­ben sich in eine Filia­ti­on, um spä­ter aus der Kind­schaft her­aus­zu­tre­ten. Denn sie rich­ten sich, wie Heyder, eben­so nach dem ande­ren Hin­weis von Matis­se, »die alten Vor­bil­der zu ver­mei­den, die sich so wil­lig sei­ner Hand anbie­ten« (1947). Jost Heyder ist sofort als Jost Heyder erkennbar.

Erfah­re­ne Rea­li­tät steigt ver­wan­delt auf zu Schau­plät­zen in meh­re­ren Bild­räu­men, die auf der wie hoch­ge­klappt erschei­nen­den Bild­flä­che ange­ord­net sind, zur Büh­ne eines gemal­ten Thea­trum mun­di. Figu­ren des All­tags wie des Mythos, Arti­sten vom Tanz, Schau­spiel und Zir­kus agie­ren in tra­gi­schen und komi­schen Stücken, Mario­net­ten und Har­le­ki­ne, Mas­ken tra­gend, die Dame »M. im Man­tel«, 2017, die Glück­li­che mit Rie­sen­fisch, oft in Boo­ten. Ver­füh­re­risch lagern Heyders weib­li­che Akte, die Oda­lis­ken von Matis­se sind Schwe­stern, der Venus gleich und eben­so der Leda. Wie »Die Schla­fen­de«, 2014. Mit geöff­ne­tem Schoß ver­hei­ßen sie das Myste­ri­um des Eros, bie­ten sie sinn­li­che Pracht und manch­mal, wie Goe­the mein­te, der Welt lieb­lich­ste Szene.

Bis 17. Febru­ar, Kunst­fo­rum Gotha, Quer­stra­ße 13-15, Di-So 10-17 Uhr