Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Antworten

Kata­ri­na Bar­ley, mul­ti­ple Per­sön­lich­keit. – Natür­lich wuss­ten wir, wer Sie sind, Dank Twit­ter jetzt auch, wie vie­le. Blei­ben wir bei der dort ange­ge­be­nen Rei­hen­fol­ge zu ihrer Per­son: Femi­ni­stin, Sozi­al­de­mo­kra­tin, Juri­stin, Trie­rer Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te, Bun­des­mi­ni­ste­rin für Justiz und Ver­brau­cher­schutz. Aber sind Sie nicht noch mehr? Fehlt da nicht noch etwas? Sind Sie nicht am Sonn­tag, 9. Dezem­ber 2018, in Ber­lin von der Euro­pa­de­le­gier­ten­kon­fe­renz mit 192 von 194 Stim­men auf Platz eins der Kan­di­da­ten­li­ste und damit zur Spit­zen­kan­di­da­tin der deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­tin­nen und Sozi­al­de­mo­kra­ten gewählt wor­den? Ver­ant­wort­lich für die­sen Twit­ter-Auf­tritt ist laut Impres­sum der Stell­ver­tre­ten­de Lei­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on beim SPD-Par­tei­vor­stand. Las­sen Sie ihn stramm­ste­hen. Wir aber ver­mer­ken, dass Sie in Ihrer Bewer­bungs­re­de zu einem »Kampf für Euro­pa« auf­ge­ru­fen haben.

Pedro Poro­schen­ko, ukrai­ni­scher Put­schi­sten­prä­si­dent. – Sie haben ein Gesetz unter­zeich­net, das nun­mehr auch all jenen Mit­glie­dern der natio­na­li­sti­schen Ukrai­ni­schen Auf­stän­di­schen Armee (UPA) Vete­ra­nen­sta­tus und ent­spre­chen­de Pri­vi­le­gi­en gewährt, die in der ersten Hälf­te der 1940er Jah­re in der Ban­de­ra-Orga­ni­sa­ti­on mit den deut­schen Nazis kol­la­bo­riert und an Pogro­men und Mas­sa­kern teil­ge­nom­men haben. Das passt in das Bild, das die Welt­öf­fent­lich­keit inzwi­schen von Ihnen hat. Sie machen sich ja nicht nur mit Neo­na­zis und kri­mi­nel­len Mili­zio­nä­ren gemein. Schon vor Ihrem Amts­an­tritt gal­ten Sie als einer der kor­rup­te­sten Olig­ar­chen der Ukrai­ne, Mil­li­ar­där mit US- und EU-Segen. Seit­her haben Sie Ihre Ein­künf­te ver­zwölf­facht. Sie wis­sen Ihr Amt zu schät­zen und wohl auch zu nut­zen. Dar­um haben Sie als reich­lich chan­cen­lo­ser Kan­di­dat der Wahl im März mal eben ein biss­chen Kriegs­recht ver­hängt. Falls Sie trotz­dem durch­fal­len, schützt Sie nun eine dank­ba­re Neo­na­zi-Prä­to­ria­ner­gar­de vor ihrer mör­de­ri­schen Oligarchen-Konkurrenz.

Carl Fort­la­ge, frü­her Tou­rist durch die Säch­si­sche Schweiz. – In Ihrem (bis­her unver­öf­fent­lich­ten) Rei­se­be­richt von 1827 schil­dern Sie anschau­lich, wie Sie als Stu­dent zusam­men mit zwei Kom­mi­li­to­nen von Ber­lin aus nach Dres­den und Prag rei­sten. Zu Fuß gelang­ten Sie von Pir­na über Bad Schand­au durch das Elb­sand­stein­ge­bir­ge nach Böh­men. Es war die Zeit, in der die Regi­on für den Tou­ris­mus erschlos­sen und den Wan­de­rern ihr Weg durch den Bau erster Gast­häu­ser und den Aus­bau der Wege erleich­tert wur­de. Mar­kan­te Punk­te erhiel­ten Namen. Auf den Gip­feln und an den schön­sten Aus­sichts­punk­ten lagen »Frem­den­bü­cher« aus, in denen man sich ver­ewi­gen konn­te. Sie ergötz­ten sich an man­chen wit­zi­gen Ein­tra­gun­gen. So zum Bei­spiel bei dem gro­ßen Fel­sen­tor, das im Volks­mund »Kuh­stall« genannt wur­de, ver­mut­lich weil die Bau­ern der Umge­bung wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges hier ihr Vieh vor maro­die­ren­den Sol­da­ten ver­steckt hat­ten. In dem Frem­den­buch fan­den Sie fol­gen­den Vers eines von der land­schaft­li­chen Schön­heit über­wäl­tig­ten Besu­chers: »Es ist gesche­hen, es ist gesche­hen /​ Ich habe den gött­li­chen Kuh­stall gese­hen.« Der Mühe, auf die­sen Aus­ruf höch­ster Begei­ste­rung die ange­mes­se­ne Ant­wort zu fin­den, ent­hob uns der näch­ste Ver­se­schmied. Er schrieb: »Ich hab es gele­sen, ich hab es gele­sen: Es ist ein Och­se im Kuh­stall gewesen.«

Elmar Brok, EU-Außen­aus­schuss-Vor­sit­zen­der. – Der ange­kün­dig­te Abzug der US-Trup­pen aus Syri­en lässt anti­rus­si­sche Het­zer wie Sie nicht ruhen: »Das kann einen neu­en Krieg in Syri­en bedeu­ten, zumal der alte noch gar nicht rich­tig been­det ist. Der Westen gibt auf durch Ame­ri­ka und das bedeu­tet, dass die gesam­te Regi­on des Mitt­le­ren und Nahen Ostens in die Hand von Russ­land und Iran über­ge­ben wird. Dies ist eine macht­po­li­ti­sche Kata­stro­phe. Dies ist eine gro­ße Nie­der­la­ge des Westens.« In Hir­ne wie Ihres geht ein­fach nicht hin­ein, dass Syrer, Rus­sen, Tür­ken und sogar vie­le Kur­den im US-Abzug end­lich eine Chan­ce für Frie­den sehen. Macht­po­li­ti­sche Kata­stro­phen sind nur Volks­ver­tre­ter wie Sie.

Ursu­la von der Ley­en, Kriegs­mi­ni­ste­rin. – Die Ent­schei­dung von US-Prä­si­dent Trump, sei­ne Trup­pen aus Syri­en zurück­zu­ru­fen, gibt Ihnen »Anlass zur Sor­ge«. Besag­te Trup­pen sind bekannt­lich über Syri­en her­ge­fal­len, ohne ein UN-Man­dat zu haben oder von der syri­schen Regie­rung ein­ge­la­den wor­den zu sein. Wir neh­men zur Kennt­nis, dass Ihr Ver­ständ­nis vom Völ­ker­recht nicht ein­mal so weit reicht wie Donald Trumps Beschei­den­heit und Selbst­kri­tik. Ihr Rechts­ni­hi­lis­mus besorgt uns.