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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Das Weihnachtskonzert

Nichts ist besinn­li­cher als ein Vor­weih­nachts­abend mit Spe­ku­la­ti­us und Leb­ku­chen. Unse­re drei Jun­gen trin­ken Kakao dazu, mei­ne Frau und ich Tee. »Holt doch mal eure Instru­men­te und spielt uns etwas vor«, schlägt mei­ne Frau vor. »Das wür­de gut zur Stim­mung passen.«

»Ich habe lan­ge nicht geübt«, brumm­te der Gro­ße, der Gitar­re spielt. »Umso bes­ser«, ant­wor­tet mei­ne Frau, »dann ist dies die beste Gelegenheit.«

»Immer das blö­de Vor­spie­len«, mault der Mitt­le­re. Nur der Klei­ne rennt los, um sei­ne Vio­li­ne zu holen. Er stellt sein Kön­nen ger­ne dar und hat schon das Noten­heft auf den Stän­der gelegt, als die Älte­ren end­lich die Trep­pen run­ter­kom­men. Der Gro­ße mit Gitar­re und Noten­heft in der einen Hand, die ande­re in der Hosen­ta­sche. Sein Bru­der schleppt sich der­weil mit dem Key­board ab. Stän­der, Klapp­stuhl und Noten­heft, fehlt noch die Tastatur.

»Wie­so hilfst du ihm nicht«, sto­ße ich den Gro­ßen an, »du hast doch noch eine Hand frei.«

»War­um denn? Jeder soll sein Instru­ment sel­ber holen.«

Ich atme tief durch.

»Nimm noch einen Spe­ku­la­ti­us«, sagt mei­ne Frau, »das beruhigt.«

Der Mitt­le­re rennt wie­der die Trep­pe hoch.

»Ich fan­ge an!«, ruft der Kleine.

»Nein ich!«

»Ich hat­te es am schwer­sten, schließ­lich muss­te ich zwei­mal die Trep­pe hoch«, sagt der Mitt­le­re, »des­halb fan­ge ich an.«

»Es geht nach Alter«, ent­schei­det mei­ne Frau. »Der Klein­ste zuerst.«

»Immer der!« Das sagen die bei­den Grö­ße­ren gleichzeitig.

Der Klei­ne legt los. »Jing­le bells« natür­lich, das er in den letz­ten Wochen geübt hat. Wir leh­nen uns zurück, schau­en uns an und wol­len genießen.

Plong, plong, plong. Plötz­lich dröhnt etwas dazwi­schen. »Bist du ver­rückt«, fah­re ich den Gro­ßen an, »hörst du nicht, dass der Klei­ne vorspielt?«

»Ich muss mei­ne Gitar­re stimmen.«

»Aber doch nicht jetzt!«

»Wann denn? Aber ich kann es ja auch ganz las­sen.« Er steht auf und will aus der Küche gehen.

»Kei­nen Streit«, ruft mei­ne Frau, »bloß jetzt kei­nen Streit. Setz dich und hör zu.«

Der Klei­ne nimmt einen zwei­ten Anlauf, es klingt etwas schrä­pi­ger als beim ersten Mal.

Ping, ping, ping. Jetzt pro­biert der Mitt­le­re sein Key­board aus.

»Seid ihr eigent­lich wahn­sin­nig?« Ich höre mich plötz­lich brül­len. »Wie­so könnt ihr nicht einer nach dem ande­ren spie­len? Ein­fach der Rei­he nach. Das kann doch nicht schwer sein.«

»Ich muss wis­sen, ob es funk­tio­niert«, ver­tei­digt sich der Mitt­le­re. Mehr schlecht als recht spielt der Klei­ne sein Lied zu Ende.

»Jetzt du!« Ich zei­ge auf das Key­board unse­res Mitt­le­ren. Der Gro­ße stellt sei­ne Gitar­re so hef­tig auf den Boden, dass die Sai­ten nach­klin­gen, wäh­rend der Klei­ne auf Mamas Schoß klet­tert und sich die Ohren zuhält.

»Was soll das denn?«

»Wenn die bei mir dazwi­schen spie­len«, ant­wor­tet der Klei­ne, »will ich bei denen auch nicht zuhören.«

»Dann kann ich es ja ganz las­sen«, ruft der Mittlere.

»Ich auch!«, ruft der Gro­ße. »Ich woll­te ja sowie­so nicht.«

»Aber was ist denn plötz­lich los?«, jam­mert mei­ne Frau. »Eben war doch noch alles in Ord­nung. So rich­tig schön gemüt­lich und fried­lich war es.«

»Ruhe!«, kom­man­die­re ich. »Du spielst jetzt auf dem Key­board und die ande­ren hören zu. Danach kommt die Gitarre.«

»Wenn du mich so unter Druck setzt, kann ich sowie­so nicht spie­len. Musik muss vom Her­zen aus­ge­hen, meint mein Leh­rer.« Der Mitt­le­re fängt tat­säch­lich nicht an.

»Dann du«, resi­gnie­re ich und zei­ge auf die Gitarre.

»Wie­so denn ich? Ich den­ke, es geht nach der Rei­hen­fol­ge. Habt ihr doch eben selbst so bestimmt.«

Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll, rei­be mir die Stirn und star­re auf die Tischplatte.

»Wer ist auf die Idee mit der Musik gekom­men?«, rufe ich dann. »Wer hat damit angefangen?«

»Das war ja klar!«, ruft mei­ne Frau. »Jetzt bin ich wie­der schuld. Was ande­res fällt dir sowie­so nicht ein.«

Sie springt auf, rennt aus der Küche und wirft die Tür hin­ter sich zu.

»Soll ich noch?«, fragt der Gro­ße und hält die Gitar­re hoch.

»Bloß nicht«, stöh­ne ich. »Bloß kei­ne Musik mehr. Am