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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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X für U: Das neue akademische Prekariat

Der Herr im Job­cen­ter – mein »Arbeits­ver­mitt­ler« – schüt­telt mir freund­lich-abwar­tend die Hand. Mög­li­cher­wei­se ist er etwas ner­vös ange­sichts mei­nes Dok­tor­ti­tels, den er auch sofort pflicht­schul­dig aus­spricht (wor­an mir über­haupt nichts liegt). Er weiß, dass er mir außer Zwangs­maß­nah­men, Call­cen­ter und Sai­son­ar­beit (Erd­bee­ren pflücken) nichts zu bie­ten hat. Wir bei­de wis­sen (und wis­sen, dass der ande­re es weiß), dass er von sei­nen Vor­ge­setz­ten dar­auf ange­setzt wur­de, die in der Tages­schau ver­kün­de­te Arbeits­markt­sta­ti­stik zu exe­ku­tie­ren, die sich selbst und der Welt vor­gau­kelt, dass Deutsch­land Vor­rei­ter in der Bekämp­fung der Arbeits­lo­sig­keit sei. Deutsch­land Super­land, Land der Ideen und der For­schung, enga­giert im »Wett­be­werb um die besten Köp­fe«, Bil­dungs­re­pu­blik, Wirt­schafts­macht, Export­welt­mei­ster. In der medi­al gepräg­ten Buz­zword-Rhe­to­rik von »Brand Ger­ma­ny« spie­gelt sich die neo­li­be­ra­le Exzel­lenz-Logik, die alle Rela­tio­nen aus dem Blick ver­lo­ren hat, unter ande­rem die, dass man sich in einer stark gebeu­tel­ten euro­päi­schen und glo­ba­len Umge­bung treff­lich als Hoff­nungs-Leit­wolf insze­nie­ren kann.
Wenn sich aber der Ein­äu­gi­ge von den Blin­den zum König machen lässt, zeigt sich dar­in eher ein all­ge­mei­ner Rea­li­täts­ver­lust denn eine Erfolgs­ge­schich­te. Doch auch Aka­de­mi­ke­rin­nen wachen erst auf, wenn sie an die Decke sto­ßen und ver­mö­gen die­se Decke, her­an­ge­zo­gen in der unhin­ter­frag­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit ihres Pri­vi­legs zu ler­nen und zu leh­ren, oft noch lan­ge ungläu­big zu ignorieren.
Tat­säch­lich hat sich die Decke aber längst immer wei­ter gesenkt, und sie bie­tet immer weni­ger Luft­lö­cher. Mein Arbeits­ver­mitt­ler, so zeigt sich schnell, kann und soll nicht wirk­lich mehr etwas für mich tun. Es geht nicht mehr um För­dern, son­dern nur noch um For­dern – und also um die Ver­let­zung schon des ersten Kapi­tels des SGB II (Grund­satz För­dern und For­dern). Gleich­zei­tig zeigt sich das unmit­tel­bar anhän­gen­de Pro­blem eines nicht vor­han­de­nen aka­de­mi­schen und ein­ge­bro­che­nen alter­na­ti­ven Arbeits­mark­tes für Gei­stes- und Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin­nen. Es offen­bart sich der eigent­li­che Druck, unter dem der neo­li­be­ra­li­sier­te Staat ope­riert. Das Ziel ist die Erfül­lung einer ima­gi­nä­ren Arbeits­lo­sen­sta­ti­stik ohne ent­spre­chen­de Grund­la­ge. Das aber funk­tio­niert im Fall von Aka­de­mi­ke­rin­nen nur noch, indem sich die Arbeits­ver­mitt­le­rin­nen als berufs­mä­ßi­ge Ent­qua­li­fi­zie­rer betä­ti­gen. Damit wird es zuneh­mend kafkaesk.
Anfangs stu­diert mein Arbeits­ver­mitt­ler fah­rig mei­nen zehn­sei­ti­gen Lebens­lauf, hört mir eine Wei­le zu und macht sich Noti­zen. Dann kün­digt er an, ohne mir in die Augen schau­en zu kön­nen, dass ich ent­we­der eine der ange­bo­te­nen Hilfs­tä­tig­kei­ten anneh­men oder an einer »Maß­nah­me« (sein Vor­schlag lau­tet auf Umschu­lung zur kauf­män­ni­schen Fach­kraft, sprich: Sekre­tä­rin) teil­neh­men müs­se (womit ich prompt aus der Sta­ti­stik fie­le), damit wir die »Ein­glie­de­rungs­ver­ein­ba­rung« unter­schrei­ben könn­ten. Ich fra­ge, in was ich ein­ge­glie­dert wer­den soll. Wie er mei­nem Lebens­lauf ent­neh­men kön­ne, sei ich bereits voll­stän­dig in das aka­de­mi­sche Leben ein­ge­glie­dert, wer­be immer wie­der erfolg­reich For­schungs­gel­der ein, habe lan­ge an ver­schie­de­nen Hoch­schu­len unter­rich­tet, publi­zie­re regel­mä­ßig, hal­te inter­na­tio­nal Vor­trä­ge, arbei­te an einem Buch, orga­ni­sie­re aktu­ell eine inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz. Nur eben immer wie­der ohne einen Cent Gehalt. Nicht weil ich beschäf­ti­gungs­los sei, son­dern weil ich selbst­stän­dig, das heißt nicht als Mit­ar­bei­te­rin eines pro­fes­so­ral geführ­ten Teams, Pro­jek­te ein­wer­be, der Kampf um Dritt­mit­tel in der Abwe­sen­heit von Stel­len und der anstän­di­gen Bezah­lung für Leh­re immer absur­der wer­de, und damit die Abstän­de zwi­schen bewil­lig­ten Pro­jek­ten immer län­ger, säße ich hier. Was er mir vor­schla­ge, sei fak­tisch eine Zwangs­aus­glie­de­rung aus dem wis­sen­schaft­li­chen Leben.
Der Arbeits­ver­mitt­ler fum­melt an sei­nem Com­pu­ter und sagt, das SGB II ken­ne kei­nen Berufs­schutz, und so kämen wir nicht zusam­men. Das ist mir bereits klar, und ich begin­ne, den Spieß wei­ter umzu­dre­hen. Ich fra­ge, ob er mir erklä­ren kön­ne, wie es sein kön­ne, dass das Job­cen­ter nur noch Tätig­kei­ten im Ange­bot habe, die mei­ne Qua­li­fi­ka­ti­on voll­stän­dig annul­lier­ten. Wir sprä­chen hier ja nicht über Kon­zes­sio­nen an einen ande­ren Job, der eine gering­fü­gi­ge Her­ab­set­zung der Qua­li­fi­ka­ti­on mit sich bräch­te und ande­re Fähig­kei­ten nut­ze, die ich habe. Wir sprä­chen über die voll­stän­di­ge Ent­wer­tung mei­ner erwor­be­nen Qua­li­fi­zie­rung, zusätz­lich befeu­ert dadurch, dass ich im Fall mei­ner Ein­wil­li­gung in eine Hilfs­tä­tig­keit oder besag­te »Maß­nah­me« bestehen­de wis­sen­schaft­li­che Ter­mi­ne absa­gen und lau­fen­de Arbei­ten abbre­chen müss­te. Ich wäre über kurz oder lang raus und hät­te also genau­so gut einen Haupt­schul­ab­schluss machen kön­nen. Es wäre, als hät­te ich als Wis­sen­schaft­le­rin nie existiert.
Mein Ent­qua­li­fi­zie­rer schaut an mir vor­bei und raschelt hilf­los mit mei­nem Lebens­lauf. Ich fra­ge ihn, ob er mir hel­fen kön­ne, mei­ner Mut­ter zu erklä­ren, war­um der Staat ihrer Toch­ter, in deren Aus­bil­dung sie als eine der ersten voll berufs­tä­ti­gen allein­er­zie­hen­den Müt­ter seit den 1970er Jah­ren inve­stiert, und die alle Prü­fun­gen, inklu­si­ve der Pro­mo­ti­on, mit Best­no­te abge­schlos­sen hat, nichts ande­res zu bie­ten hat, als Erd­bee­ren zu pflücken. Ich fra­ge ihn schließ­lich, ob er mir erklä­ren kön­ne, war­um der­sel­be Staat, der mich jetzt zum Min­dest­lohn aufs Erd­beer­feld oder ins Call­cen­ter schicken oder sogar noch mei­ne Entqualifizierung/​Umschulung bezah­len will, mich ange­sichts explo­die­ren­der Stu­die­ren­den­zah­len in Form ver­schie­de­ner Hoch­schu­len immer wie­der für Lehr­auf­trä­ge ange­fragt hat, ohne mich auch nur annä­hernd ange­mes­sen dafür ent­loh­nen zu wol­len. (Die Sät­ze in Ostdeutschland/​Berlin lie­gen mitt­ler­wei­le bei zwi­schen 280 und 700 Euro pro Seme­ster, das heißt für sechs Mona­te, und damit mei­len­weit unter dem Hartz-IV-Min­dest­satz, ohne jede rechtliche/​tarifliche Grund­la­ge.) Mein Ent­qua­li­fi­zie­rer – selbst ein ent­qua­li­fi­zier­ter Sozi­al­wis­sen­schaft­ler, wie sich im wei­te­ren Gespräch her­aus­stellt – sieht mich erschöpft an. Er kann es mir nicht erklä­ren, weil es ratio­nal nicht mehr erklär­bar ist.
Was sich eröff­net, ist ein System, das unter dem Exzel­lenz-Label sein her­an­ge­zo­ge­nes Poten­ti­al im gro­ßen Stil ver­schleu­dert und das volks­wirt­schaft­lich Hara­ki­ri betreibt, indem es sich prak­tisch wei­gert, sei­nen Bil­dungs­auf­trag zu erfül­len. Ich bin zum Glück nicht die Erste, die das sagt. Seit Jah­ren wei­sen Reso­lu­tio­nen und Abschluss­be­rich­te wis­sen­schaft­li­cher Ver­bands­ta­gun­gen auf den ekla­tan­ten Wider­spruch hin, der zwi­schen der zuneh­mend man­geln­den Aus­schöp­fung eines Reser­voirs aus­ge­bil­de­ter Wis­sen­schaft­le­rin­nen und der immer stär­ke­ren Befül­lung die­ses Reser­voirs unter dem Man­tra »Wir brau­chen mehr Stu­die­ren­de, wir brau­chen mehr Aka­de­mi­ker« besteht. Es ist offen­sicht­lich, dass die Zahl der Stu­die­ren­den zuneh­mend die tat­säch­li­chen Inve­sti­tio­nen in das Bil­dungs­sy­stem ersetzt, vor allem in deren Unter­richt. Vie­le Stu­die­ren­de machen sich gut im Image des viel­be­wor­be­nen »Bil­dungs­stand­orts Deutsch­lands«. Es darf nur kei­ner fra­gen, unter wel­chen Bedin­gun­gen das Stu­di­um abläuft (und wofür es eigent­lich gut sein soll).
Inter­es­san­ter­wei­se tut das auch kaum jemand, am wenig­sten die Stu­die­ren­den selbst, die größ­ten­teils gar nicht wis­sen, dass ihre Dozen­tin­nen nicht bezahlt wer­den. Weil es ihnen nie­mand sagt und weil sie nicht fra­gen. Vie­le nicht nur des­halb, weil sie immer rasan­ter durchs Stu­di­um gepeitscht wer­den, um schnell »fit für den Arbeits­markt« zu sein, son­dern auch des­halb, weil ihre Vor­stel­lungs­kraft nicht aus­reicht. Sie kom­men nicht dar­auf, dass sie tat­säch­lich weit­ge­hend unent­gelt­lich aus­ge­bil­det wer­den, solan­ge sie nicht selbst mas­sen­haft in unbe­zahl­ten Prak­ti­ka sitzen.
Wenn es ihnen jemand öffent­lich sagt, wie mein ehe­ma­li­ger Pro­fes­sor am Insti­tut für Poli­tik­wis­sen­schaft der FU Ber­lin, Peter Grot­ti­an, der 2014 in der Süd­deut­schen Zei­tung erst­mals deut­lich auf die mas­sen­haft unbe­zahl­te Leh­re hin­wies und es auf den Punkt brach­te, dass Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen in Deutsch­land behan­delt wer­den »wie der letz­te Dreck«, dann hat das aller­dings kaum einen Effekt, auch unter den betrof­fe­nen »Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen« nicht. Man duckt sich lie­ber weg. Viel­leicht komm ich ja doch noch irgend­wie durch. So funk­tio­niert Entsolidarisierung.
Demon­strie­ren und strei­ken: in Deutsch­land bis­lang undenk­bar. Das liegt unter ande­rem dar­an, dass gewerk­schaft­li­ches, soli­da­ri­sches Den­ken im Bil­dungs­sek­tor auch wäh­rend der weit­rei­chen­den Ver­be­am­tung im Nach­kriegs-Wohl­stands-Deutsch­land syste­ma­tisch, und tat­säch­lich in Ver­let­zung demo­kra­ti­scher Grund­rech­te, unter­bun­den wur­de. Beam­te durf­ten und dür­fen nicht strei­ken. Staats­die­ner haben dem Staat (dem­sel­ben, der nun sei­nen Bil­dungs­auf­trag ver­wei­gert) zu die­nen und ihn nicht zu kri­ti­sie­ren. Folg­lich gibt es, über eine weit­ge­hend fol­gen­lo­se Gewerk­schaft für Erzie­hung und Wis­sen­schaft hin­aus, kei­ner­lei Tra­di­ti­on von Stu­die­ren­den- und Uni­ver­si­täts-Gewerk­schaf­ten. Trotz­dem hat es zu bro­deln begon­nen im zuneh­mend luft­lee­ren Raum unbe­zahl­ter Leh­re, unsi­che­rer Dritt­mit­tel und, abge­se­hen von der Pro­fes­sur, aus­schließ­lich befri­ste­ter und immer kür­zer lau­fen­der Pro­jekt- und Mit­ar­bei­te­rin­nen­stel­len. Aller­dings bro­delt es bis­lang haupt­säch­lich hin­ter den schicken Kulis­sen, in einer Pri­va­ti­sie­rung des Leids, am Ran­de von Kon­fe­ren­zen und Tagun­gen, in per­sön­li­chen Gesprä­chen. Die dre­hen sich schon lan­ge nicht mehr um den infor­mel­len fach­li­chen Ideen­aus­tausch, son­dern fast aus­schließ­lich um die Bedro­hung der aka­de­mi­schen Exi­stenz: Wie lan­ge läuft Dei­ne Stelle/​Dein Pro­jekt noch? Was machst Du dann? Wie willst Du das schaf­fen? Was für eine Schei­ße alles. – So funk­tio­niert wis­sen­schaft­li­che Entleerung.
Zuneh­mend unru­hig wer­den inzwi­schen nicht nur deut­sche »Nach­wuchs­wis­sen­schaft­le­rin­nen« (ein Begriff, der mitt­ler­wei­le bis zur unsi­che­ren Ren­te reicht), son­dern auch vie­le Dok­to­ran­din­nen und Post­dok­to­ran­din­nen aus dem viel umwor­be­nen Aus­land. Sie hat­ten sich anlocken las­sen von den ver­gan­ge­nen Exzel­lenz­in­itia­ti­ven des Bun­des und der in sozia­len Netz­wer­ken eupho­risch ver­brei­te­ten Saga eines Deutsch­lands ohne Stu­di­en­ge­büh­ren: Deutsch­land nimmt Flücht­lin­ge auf, Deutsch­land ermög­licht freie Bil­dung, Deutsch­land ist cool. Nun rea­li­sie­ren sie, dass sie nach Ablauf ihrer befri­ste­ten Anstel­lung in einem mas­siv unter­fi­nan­zier­ten und knall­hart hier­ar­chi­schen System oft ohne abge­schlos­se­ne For­schung und ohne Per­spek­ti­ve daste­hen. Unzäh­li­ge inter­na­tio­na­le For­sche­rin­nen, mit denen ich über die ver­gan­ge­nen Jah­re Kon­takt hat­te, schei­nen tat­säch­lich nicht mehr (gewe­sen) zu sein als Requi­si­ten in einer Image-Kam­pa­gne der Bun­des­re­gie­rung – gemein­sam mit den unzäh­li­gen deut­schen Wis­sen­schaft­le­rin­nen, deren (Projekt)Verträge über immer kür­ze­re Lauf­zei­ten gehen. In hüb­schen Bro­schü­ren und bun­ten Inter­net-Auf­trit­ten fir­mie­ren sie als Aus­weis eines welt­of­fe­nen, inter­na­tio­nal anschluss­fä­hi­gen und for­schungs­freund­li­chen Deutsch­lands, tat­säch­lich aber wer­den sie zum Opfer eines an Dritt­mit­teln erblin­de­ten Durch­lauf­er­hit­zers, einer zutiefst ver­fehl­ten Hoch­schul­po­li­tik, die manisch zu »Spit­zen­lei­stun­gen« antreibt, ohne das Grund­pro­blem in Augen­schein zu neh­men. Für vie­le, und beson­ders für die gro­ße Zahl der aus­län­di­schen Wis­sen­schaft­le­rin­nen, für die mit ihrer befri­ste­ten Stel­le auch meist ihr Visum abläuft, bleibt am Ende nur noch, sich bedin­gungs­los unter die Patro­na­ge einer Pro­fes­sur zu stel­len (um irgend­wie eine zumin­dest klei­ne Anstel­lungs­ver­län­ge­rung zu bekom­men), die Abwan­de­rung in ähn­lich pre­ka­ri­sier­te Uni­sy­ste­me oder das Aus­schei­den aus der Wis­sen­schaft. Für die ande­ren, wenn sie nicht scham­haft bei Fami­lie oder Part­ner unter­krie­chen kön­nen oder wol­len (und das gilt natür­lich wie­der ein­mal haupt­säch­lich für Frau­en), bleibt nur Hartz IV – und die Zwangsentqualifizierung.
Seit 2012 haben sich im Zuge einer öffent­li­chen Debat­te über die »Arbeits­un­wil­li­gen« die von Job­cen­tern aus­ge­spro­che­nen Sank­tio­nen gegen ihre »Kun­din­nen« ver­schärft. Es reicht dem Staat nicht mehr, unbe­zahl­te Wis­sen­schaft­le­rin­nen, die eben nicht als Berufs­tä­ti­ge oder Selbst­stän­di­ge gel­ten, als eine Art Boden­satz der Exzel­lenz auf Hartz IV zu par­ken. Dies ermög­licht immer noch ein Min­dest­maß an aka­de­mi­scher Frei­heit, vor allem das Publi­zie­ren, das unter ande­rem Vor­aus­set­zung für das Ein­rei­chen unab­hän­gi­ger For­schungs­an­trä­ge bei der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) und ver­schie­de­nen Stif­tun­gen ist. Das aber ist offen­bar immer weni­ger gewollt, denn es bedeu­tet poten­zi­ell zusätz­li­che Mit­es­ser am ver­klei­ner­ten aka­de­mi­schen Fut­ter­trog und eine unan­ge­neh­me Sicht­bar­keit in der Arbeits­lo­sen­sta­ti­stik. Statt­des­sen fin­det sich im Job­cen­ter die Fort­set­zung der exzel­len­ten Quan­ti­fi­zie­rung mit ande­ren Mit­teln, indem die erzwun­ge­ne aka­de­mi­sche Ent­qua­li­fi­zie­rung sich an die Aus­lö­schung von Exi­stenz macht, die über die zähl­ba­re bzw. dann nicht mehr zähl­ba­re mate­ri­el­le Exi­stenz hin­aus­geht. Das heißt, mei­ne wis­sen­schaft­li­che Exi­stenz muss gelöscht wer­den, um mich aus der Arbeits­lo­sen­sta­ti­stik zu löschen. Klick. Unfri­en­ded by your State.
Es fällt schwer, in die­ser Logik nicht eine Spiel­art des Angriffs auf die Wis­sen­schaft zu erken­nen, der sich im Zuge der Ver­schär­fung neo­li­be­ra­ler Poli­tik welt­weit beob­ach­ten lässt. Die­se Ver­schär­fung besteht in der Essenz dar­in, immer mehr Men­schen Stück für Stück die Lebens­grund­la­ge zu ent­zie­hen und sie unter der Rhe­to­rik natio­na­ler Super­la­ti­ve auf­ein­an­der­zu­het­zen – um die dar­aus resul­tie­ren­den Aggres­sio­nen und Res­sen­ti­ments dann allein auf die Rech­ten zu schie­ben, als kämen sie aus dem Nichts.

Brit­ta Ohm, Dr. phil., Anthro­po­lo­gin, Asso­cia­te Rese­ar­cher am Insti­tut für Sozi­al­an­thro­po­lo­gie in Bern. Ihr Text ist die gekürz­te Fas­sung eines Bei­tra­ges aus den Blät­tern für deut­sche und inter­na­tio­na­le Politik.