Albrecht Franke
Im Dorf meiner Kindheit, Remkersleben in der Börde, läutete in den 1950er Jahren zu Anlässen, die dies geboten, nur eine Kirchenglocke. Deren Ton erschien mir unangenehm schrill. Eine Erzählung meiner […]
Verschwinden eines Vaters
Von der Thematik »Verlassenwerden« lebt eine Literatur- und Popmusikindustrie. Man fürchtet fast, wenn man das Cover betrachtet, in so etwas hineingezogen zu werden, denn dort prangen, gelb unterlegt, die Wörter: […]
Abenteuerfährten
Der Lyriker Thomas Böhme verfasst nicht nur bezaubernde und lange im Leser nachklingende Gedichte, sondern auch gewichtige Romane. »Gewichtig« kann im Falle dieses sprachmächtigen Mannes nur »bedeutungsvoll« heißen. Das sind […]
Sprachgewalt als Sprachverlust
Wenn man dieses Buch liest, ist es, als sei man zurückversetzt worden in die beklemmenden fünfziger Jahre, als rücke die graue Gegenwart der »jungen« DDR noch einmal auf einen zu, […]
Reden gegen den Schweigebefehl
Ohne die Mitteilung auf dem Umschlag, dass jemand »süchtig« geworden sei bei der Lektüre, wenn ihn ein Buch in den Bann geschlagen hat, geht es wohl nicht mehr ab. So […]
Ausgedachtes Leben
»Ach«, der Rezensent empfiehlt, während der Lektüre dieses vermeintlich so unscheinbare Wörtlein, welches dem Roman den Titel gibt, öfter auszurufen, zu sprechen, zu murmeln und so fort. Warum? Einmal, weil […]
Familienfehden
Dem Schriftsteller Sebestyén Paulich, im Buch meistens Sebi genannt, sind familiäre Zwistigkeiten so unangenehm wie wohl den meisten von uns. Doch scheinen weder er noch seine neun Geschwister darauf verzichten […]
Die Lachnummern des Alltags
»Normales Leben«, den »Alltag« und seine »Tücken«, das »wirkliche Dasein« zu beschreiben aus der Perspektive: »Ich bin wie du, und du bist wie ich« – das verheißen viele Bücher. Insofern […]
Kein Verrat am Gedicht
Wie heute üblich, geschieht es nun auch beim Lesen: Es gilt, den AGBs zuzustimmen. Thomas Rackwitz stellt sie seinem neuen Gedichtband voran. Natürlich in lyrischer Form. Und man sollte sie […]
Proletarische Prinzessinnen
Dieser Roman ist einer der seltsamsten, die mir in letzter Zeit untergekommen sind. Aber auch einer, dessen Lektüre die dafür investierte Zeit nicht nur lohnt, sondern belohnt. Gewinn ist zu […]
Ein philosophischer Roman
»Du, Hugo, müssen wir den Tag tatsächlich mit Philosophie beginnen?«, fragt eine Frau ihren Mann. Ja, in diesem Roman muss das sein: Eine Geschichte, die fast nur Intrigen, Erpressung, Sex […]
Im Vexierbad
Eines Tages klingelt der Postmann, drückt einem eine Buchsendung in die Hand – und auf dem Schreibtisch liegt ein neuer Gedichtband von Thomas Böhme. Obwohl man weiß, dass man damit […]
Der Steinacker der Herkunft
Das Durcheinander eines Lebens ist nicht geradlinig zu erzählen – bei einem Lebenslauf in einer Familie wie dieser schon gar nicht. Zudem bekundet die Autorin, dass sie autobiografisches Schreiben »abwegig […]
Eine Liebe zu Zeiten Ceaușescus
1974, am ersten Weihnachtstag, fuhr ich gegen Abend mit dem Linienbus nach Magdeburg, von dort mit dem Zug nach Berlin-Schönefeld. Auf einer Bank verbrachte ich die Nacht in der kühlen, […]
In vielen Leben zu Hause
Es gilt, eine Seltenheit zu bestaunen in den Zeiten wohlfeiler und oft wenig tiefgründiger Druckwaren. Es ist die Biografie »Die Leben des Paul Zech« von Alfred Hübner. Ein überaus treffender […]
Richards Kampf mit der Raumzeit
Die Absolvierung eines Leistungskurses Physik und eines Philosophiegrundkurses empfiehlt sich vor der Lektüre dieses Romans. Wer nicht wenigstens einen davon nachweisen kann, der rücke seine Lexika zu seinem Lektüreplatz oder […]
Die dunkle Seite eines Wortes
Das Wort »Wahnsinn« hat Konjunktur in unserer Alltagssprache, kaum eine Sportreportage, keine Werbeanpreisung kommt ohne es aus. Dass Literatur die Aufgabe hat, alle Wortbedeutungen ans Licht zu bringen, schwang immer […]
Die Freundinnen-Konstellation
Fast alle Erzählungen des Bandes »Licht hinter dem Fenster« von Tatjana Geringas gehen von Freundinnenfiguren aus, deren Konstellation alles halten und tragen soll, was mitgeteilt wird. Das freilich kann nicht […]
Zeitzeichen: Armutssafari
»Armut«, »Wut« »abgehängte Unterschicht«, das sind fast nur noch formelhafte Begriffe, leere Schlagworte. Gern und oft werden sie bemüht, keine Wahlanalyse kommt ohne sie aus. Jedoch wird meistens über »Armut« […]
Dracula ist hier!
Eine Bukarester Künstlerin, die Ich-Erzählerin des Romans, kehrt aus Paris zurück nach Rumänien, in die Walachei, nach B. Im Klappentext ist das der »Ferienort ihrer Kindheit bei Transsilvanien«. Das ist […]
Lebensschichten
Die Genrezuweisung Roman auf dem Buchdeckel erscheint nicht überzeugend: Ich hatte nicht immer das Gefühl, einen Roman zu lesen. Andererseits: Wie will man eine große Erzählung über ein Leben nennen, […]
Es wird geschwitterst
Auf Seite 300 des opulenten Buches »Schwitters« liest man, dass Kunst nicht von ihrem Künstler, nicht von sich, nicht einmal von ihrem Gegenstand handele – sondern ihn erzeuge. Dies als […]
Klüfte
Die Welt der Toten hat nichts mit der Welt der Lebendigen zu tun … Aber sie drängen sich herein, obwohl die Tür hermetisch verschlossen sein soll. Hermetisch, luft- und wasserdicht abgeschlossen. Siehe: […]
Hauptfigur: Das Gedächtnis
Ob es nun der auf dem Waschzettel versprochene »Metaroman« ist oder nicht – dieses Buch Maria Stepanovas ist etwas ganz Besonderes. Nicht deswegen, weil das Gedächtnis zum Protagonisten eines Romans […]
Gesang der Neophyten
Haben wir es mit im Erwachsenenalter Getauften zu tun? Oder – mit des Wortes häufigerer Verwendung – den früher im Lande nicht heimischen Pflanzen? Da man beim Lesen auf Bekanntes […]
Industriegeschichte
Manchmal ist es wohltuend, einen Roman zu lesen, der ganz nach »alter Art und Weise« geschrieben ist. Wer Bernd Sikoras »Siebenhöfen« zur Hand nimmt, wird sich erinnert fühlen an umfängliche […]
Nur selten glücklich
In Jan Brachmanns Nachwort zu dem Buch »Fantasie in Blau« von Tatjana Geringas liest man, dass die bekannte Pianistin nur noch selten in der Öffentlichkeit erscheine, dafür aber »plötzlich das […]
Liebes Kind!
Der Buchverlag Der Morgen edierte 1966 und 1988 »Maud von Ossietzky erzählt«. Die Ausgabe aus dem Jahre 1988 begleitet mich bis heute. Es ist eine der Lektüren, die man nicht […]
Nachti, Heym und der Teufel
Nachti, Katharina Nachtrab, gesprochen Nacht-rab, aus Nürnberg, will in Ost-Berlin (das ist wichtig!) Mitte der neunziger Jahre Theaterregisseurin werden. Sie wird Studentin an einer Berliner Schauspielschule. Nachtis Klasse besteht aus […]
Leben im städtischen Freigehege
Wenn man die Gedichte Henning Kreitels liest, fühlt man sich an Franz Biberkopf erinnert, den seltsamen Helden in Alfred Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz«. Auf Franz stürzt auch die Großstadt ein, […]
Musik vor dem Untergang
Den Spaßvogel nimmt man Thomas Böhme nicht leicht ab, obwohl er einer ist. Kein moderner allerdings, der mit selbstbestätigendem Gekicher seine Äußerungen begleitet, sondern in Gestalt des Klavierstimmers auf der […]
Höhenflüge, Notlandungen
Dass ein Buch voller poetischer Höhenflüge »Notlandung« betitelt ist, mag zunächst absurd klingen, es erklärt sich aber rasch, denn eine solche vom Autor im irischen Shannon erlebte Situation ist der […]
Ein Film-Leben
Das lobenswerte Unterfangen des Mitteldeutschen Verlags, georgische Literatur hierzulande bekannt zu machen, hat mit der Veröffentlichung von Lana Gogoberidses Autobiografie eine weitere Bereicherung erfahren. Die preisgekrönte Filmemacherin nahm sich dabei […]
Geboren 1950 als Sohn einer Eisenbahnerfamilie in Seehausen (Börde).
Nach Schule und Studium Lehrer in Wanzleben (Börde). Seit 1977 in Stendal, tätig als Schriftsteller und Lehrer.
Seit 2013 als freiberuflicher Autor, Lektor und Kritiker tätig.
Zuletzt erschien „Christa Johannsen –ein erfundenes Leben“
im Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale).